Tag der Entscheidung
ich möchte wissen: Was veranlaßt euch, mit Kriegern in unser Land zu kommen? Wollt ihr Krieg?« Das letzte sollte offenbar ein Scherz sein, denn er brach in wildes Gelächter aus.
Mara bedeutete Lujan zu schweigen und wandte sich an ihren Führer, als würde der muskulöse Mann nicht neben ihrem Esel stehen. »Dieser Hochländer scheint sich zu amüsieren. Hält er unsere Anwesenheit für witzig, oder will er unsere Ehre beleidigen?«
Ob er es nun einfach für sich behielt oder eingeschüchtert war – Iayapa sagte nichts.
Mara zog die Stirn in Falten und mußte sich auf ihre eigene Urteilskraft verlassen. Für die Tsuranis galten die Thuril als blutrünstige Krieger, die schnell zum Angriff bereit waren und grausam kämpften. Aber Mara spürte, daß die Ansichten einer einfallenden Armee mit Vorsicht zu betrachten waren. Die einzigen anderen Thuril, die sie hatte beobachten können, waren Gefangene in einer Arena gewesen. Die Männer hatten sich als stolz, unabhängig und mutig erwiesen und sich lieber von tsuranischen Aufsehern schlagen lassen, als in einem Spektakel zum Vergnügen ihrer Eroberer zu kämpfen.
Mara wandte sich noch einmal an den Mann. »Ich suche Euer Stammesoberhaupt.«
Der Hochländer schaute überrascht drein, als hätte ein Insekt laut gesprochen. »Du suchst unser Stammesoberhaupt?« Er strich sich über das Kinn, als müßte er nachdenken. »Warum wollt ihr ihn stören? Er hat schon eine Frau, die sein Lager wärmt!«
Mara mußte an sich halten, brachte ihren Zorn aber noch rechtzeitig unter Kontrolle. Sie gab Lujan ein Zeichen; er war auf dem Sprung, die Beleidigung zu beantworten, blieb dann aber stehen. Mara zwang sich, diesen dreisten Hochländer ruhig und möglichst gelassen zu studieren. Tatsächlich wirkte er noch jung, kaum fünfundzwanzig Jahre alt. Nach tsuranischer Sitte war er gerade alt genug, um ein Erbe anzutreten. Wie bei einem solchen Jungen, dem zum ersten Mal Verantwortung übertragen worden war, hatte sein Verhalten etwas Großspuriges, als versuchte er damit, in der größeren Welt mehr Wichtigkeit zu erhalten. »Ich rede nicht mit Jungen. Bringt mich jetzt zu Eurem Stammesoberhaupt, oder ich sorge dafür, daß Ihr wegen Eurer Grobheit bestraft werdet, wenn ich ihn selbst suchen muß.«
Der Mann trat mit gespielter Betroffenheit zur Seite. »Aber natürlich, Mylady!«
Er wirbelte auf den Fersen herum, daß der Umhang und der Kilt aufflogen, und legte zwei Finger an die Lippen. Ein Pfiff zerriß die Luft und ließ Maras Krieger zusammenfahren.
»Die Männer dürfen auf keinen Fall die Schwerter ziehen«, ermahnte sie Lujan leise.
Der Kommandeur zwang seine Männer mit einem strengen Blick, sich still zu verhalten, sogar dann noch, als mehr als zwanzig Männer mit knirschenden Schritten über Felsen und Schotter traten und sichtbar wurden. Alle waren schwer bewaffnet, mit Bögen, Speeren, Schwertern bis hin zu ganzen Reihen von Wurfmessern; nicht wenige der furchterregendsten unter ihnen trugen doppelköpfige Äxte. Maras kleine Truppe war zahlenmäßig drei zu eins unterlegen, und wenn es zum Kampf käme, würde der Pfad, auf dem sie standen, zum Schauplatz eines Gemetzels werden.
Bereit, bis zum Tod zu kämpfen, wandte sich Lujan flüsternd an Mara. »Sie haben vielleicht keinen Ärger gesucht, aber sie sind bestens darauf vorbereitet, sollte er sich ihnen aufdrängen.«
Der Hochländer auf dem Pfad ließ seinen Blick über seine Gefährten wandern. Er grinste unverschämt. »Ihr habt das Weib gehört! Sie glaubt, sie könnte dem Stammesoberhaupt befehlen, mich wegen Grobheit zu bestrafen!« Derbes Gelächter folgte der Bemerkung, untermalt von dem Geräusch, mit dem Schwerter aus den Scheiden glitten.
Mara schluckte schwer. In dem Wissen, daß sie entweder kämpfen oder nachgeben mußte, bevor ihre Männer kurzerhand getötet und sie selbst und Kamlio mitgenommen werden würden – nur die Götter mochten wissen, welches Schicksal ihnen dann bevorstand –, brachte sie mühsam die Worte hervor: »Ich habe erklärt, daß wir in friedlicher Absicht gekommen sind! Als Beweis werden meine Männer jetzt ihre Waffen niederlegen.«
Auf Lujans ungläubigen Blick fügte sie hinzu: »Tut es!«
Bis auf den letzten Mann lösten die tsuranischen Krieger gehorsam ihre Schwertgürtel. Das Klappern, mit dem die Schwertscheiden zu Boden fielen, schien von dem weiten Himmel verschluckt zu werden.
Das Grinsen des jungen Kriegers bekam etwas Räuberisches. Mit einem Ruck
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