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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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riß er das Lederband ab, das seine Zöpfe festhielt, und spannte es straff zwischen seinen Händen. »Fesselt sie«, schrie er. Er schaute Lujan an. »Ihr seid Tsuranis! Feinde meines Volkes. Wir werden ja sehen, wen mein Stammesoberhaupt bestraft!«
    Mara schloß die Augen, als sich der Ring der Thuril um ihre wehrlose Gruppe schloß, aber sie reagierte nicht schnell genug, um die lüsternen Blicke nicht zu bemerken, die die näher stehenden Männer auf Kamlio warfen. Und sie hörte noch die Bemerkungen, die zwar in einer fremden Sprache waren, aber in deutlich spöttischem Ton. Mögen die Götter uns beschützen, dachte sie. Was für einem Schicksal habe ich meine Leute ausgeliefert? Denn nach allen Regeln der Ehre und den Überzeugungen ihrer Religion hätte sie eher zulassen müssen, daß ihre Krieger und auch sie getötet wurden, statt sich zu ergeben.
    »Ihr habt richtig gehandelt, Herrin«, sagte Iayapa eindringlich. Aber als sie von groben Händen von ihrem Esel gezerrt wurde und speckige Lederriemen sich in ihre Handgelenke gruben, war sie sich dessen nicht so sicher. Hier ging es um mehr als die Ehre der Acoma, machte sie sich klar, als ihre Krieger es geschehen ließen, daß auch sie an Händen und Füßen gefesselt wurden. Ehre, Stolz und selbst der Frieden würden keinerlei Bedeutung haben, wenn sie nicht in der Lage waren, die Allmacht der Versammlung herauszufordern.
    Und doch: Als sie und die anderen wie Sklaven vorwärts gestoßen und verhöhnt wurden, wußte sie nicht genau, ob sie nicht lieber tot wäre.

Zwei
    Gefangene

    Mara stürzte.
    Der Hochländer, der sie in die Reihe der Marschierenden zurückgestoßen hatte, lachte, als sie mit den Knien auf rauhen Steinen landete. Mit einem festen Griff an ihrem Arm zerrte er sie schmerzhaft auf die Füße und gab ihr einen Stoß nach vorn. Mara stolperte gegen Saric, der sich bereit machte, sie aufzufangen. Er war kaum in der Lage, seine fürchterliche Empörung unter Kontrolle zu halten.
    »Meine Mistress sollte wenigstens die Erlaubnis erhalten, auf dem Esel reiten zu dürfen«, protestierte er und erkannte am grimmigen Gesichtsausdruck seiner Lady, daß sie aus Stolz nichts sagen würde. Er zischte jedes Wort, als wäre es ein Fluch.
    »Schweig, tsuranischer Hund! Das Tier werden wir sinnvoller einsetzen!« Der Hochländer, der das Kommando über die Gruppe zu haben schien, winkte einen Untergebenen zu sich und gab ihm Anweisungen.
    Mara hielt ihr Haupt hoch erhoben und versuchte, nicht in Lujans blutiges Gesicht zu blicken. Er hatte sich geweigert, die Arme vorzustrecken und sich fesseln zu lassen, und obwohl er nicht gekämpft hatte, waren grobe Handgriffe nötig gewesen, um die Hände auf dem Rücken zusammenzubinden. Dunkle Wut lag in seinen Augen, als er sah, was sie darunter verstanden, ihr kleines Lasttier »sinnvoller« einzusetzen: Die barbarischen Thuril hatten Gefallen an Kamlio gefunden. Ihre Schönheit war eine Art Trophäe, und so sollte sie reiten, nicht Mara.
    Als Saric noch einmal zu protestieren wagte, erhielt er Schläge mitten ins Gesicht. »Die dunkelhaarige Frau nähert sich bereits dem Ende ihrer fruchtbaren Jahre. Sie hat nur wenig Wert«, sehne der Hochländer in gebrochenem Tsuranisch.
    Mara ertrug die zusätzliche Beschämung mit brennenden Wangen. Aber als die Thuril die Gruppe auf den Marsch vorbereiteten, quälte sie die Ungewißheit. Sie hatte keine Ahnung, was diese Thuril mit ihr und ihren Männern vorhatten, aber nach allem, was sie darüber wußte, wie die Tsurani mit Gefangenen aus den Bergen umgingen, glaubte sie nicht gerade an ein angenehmes Schicksal.
    Die Thuril trieben die Gefangenen in das Hochland hinauf. Mara rutschte auf dem glitschigen Schiefer aus und stolperte, sie watete durch knietiefe Wildbäche, die in den Gipfeln entsprangen. Die nassen Schnürbänder der Sandalen gaben nach, und an den Fußsohlen bildeten sich Blasen. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrug sie die Beschwerden und unterdrückte die Tränen. Sobald sie langsamer wurde, gab einer der Hochländer ihr mit dem Ellbogen, der flachen Seite seines Schwerts oder seiner Axt einen Klaps. Ihr Rücken war voller blauer Flecken. War es dieses Elend, das Kevin und seine Landsleute durchlitten hatten, als sie aneinandergekettet zum tsuranischen Sklavenmarkt geführt worden waren? Mara hatte geglaubt zu begreifen, als sie für sich beschlossen hatte, daß Sklaverei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war. Jetzt erhielt sie aus erster Hand

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