Tag der Entscheidung
auf dem mein Dienstmädchen sitzt, behauptet jetzt, er würde mich nicht verstehen können.« Sie sprach die Konsonanten vor Groll schärfer aus. »Obwohl er während des Weges hierher durchaus in der Lage war, sich auf Tsuranisch zu unterhalten!«
Einige der Hochländer drehten sich daraufhin um, einige zeigten sich überrascht. Aha! dachte Mara. Es gibt noch andere, die unsere Sprache sprechen können, wenn auch schlecht. Sie mußte das Beste daraus machen.
Mara spielte mit den verlegenen Hochländern weiter Scharade und wandte sich ausschließlich an Iayapa. »Berichtet diesem Possenreißer, der seine Worte ebenso vergißt wie seine Mutter den Namen seines Vaters, genau, was ich sage.« Mara hielt inne, dann sprach sie in die entsetzte Stille hinein: »Sagt ihm, daß er ein ungezogener kleiner Junge ist. Wenn wir sein Dorf erreichen, werde ich sein Stammesoberhaupt ersuchen, ihn für ein nicht zu entschuldigendes schlechtes Verhalten gegenüber Gästen zu schlagen. Teilt ihm weiterhin mit, daß, sollte ich in meinem Bett Gesellschaft benötigen, ich mir einen Mann suchen werde, kein Kind, das noch immer nach der schrumpeligen Brust seiner Mutter verlangt. Und falls er mich anfassen sollte, werde ich ihn auslachen, wenn seine Männlichkeit versagt. Er ist so ungehobelt wie ein Needra und riecht noch schlechter. Er ist häßlicher als mein übelster Hund und weniger wert – denn mein Hund kann jagen und hat nicht soviel Ungeziefer. Sag ihm, allein seine Existenz bringt Schande über seine schon jetzt unehrenhaften Ahnen.«
Plötzlich war Iayapa unerwartet vergnügt, als er übersetzte. Bevor er den ersten Satz beendet hatte, richteten sich die Augen aller thurilischen Krieger auf die Lady der Acoma. Als die Übersetzung ihrer Tirade beendet war, war sie erschrocken über das eisige Schweigen. Ihr Herz pochte laut in ihrer Brust. Es war gut möglich, daß sie sie töteten. Jeder tsuranische Lord, der so von einer Gefangenen angesprochen wurde, hätte sie hängen lassen. Aber das Schicksal konnte kaum Schlimmeres für sie bereithalten als die Sklaverei, spürte Mara. Und ob diese Männer sie nun völlig ehrlos aufhängten oder nicht, sie zeigte ihnen nur hochmütige Verachtung.
Dann entlud sich die Spannung. Alle bis auf den, der die Zielscheibe von Maras Beschimpfungen gewesen war, verfielen in einen schenkelklopfenden Heiterkeitsausbruch. »Die Xanthippe ist schlagfertig, hast du das gemerkt?« rief jemand dem verspotteten Mann mit Akzent in Tsuranisch zu. Das bestätigte, daß er die Sprache gut genug sprach, um zu begreifen, was vor Iayapas Übersetzung über ihn gesagt worden war. Einige seiner Begleiter lachten so sehr, daß sie sich setzen mußten, damit ihre Knie nicht nachgaben. Der von Mara gescholtene Krieger beäugte sie, dann, als ihm die Röte in die Wangen stieg, nickte er kurz.
Lujan drängte sich näher an Maras Seite, als ein anderer thurilischer Krieger Mara etwas zuschrie und mit dem Bogen wedelte. Das Grinsen des Mannes machte ihr langsam klar, daß man sie nicht hinrichten würde. »Was hat er gesagt?«
Iayapa zuckte zusammen. »Daß Ihr wie ein Mann fluchen könnt. Das ist eine Art Kunst bei den Thuril, Herrin. Wie ich sehr gründlich auf dem Schoß meiner Mutter lernte, können sie äußerst reizbar sein.«
Nach einiger Zeit legte sich der Tumult. Der Trupp der jüngeren Krieger versammelte und verabschiedete sich, um wieder seiner Pflicht nachzugehen, und einige lachten noch immer glucksend, als sie einen aus dem Tal herausführenden Pfad entlangschritten. Die anderen, darunter der rotgesichtige Führer, drängten ihre tsuranischen Gefangenen um die nächste Biegung nach Hause. Das Sonnenlicht des späten Tages fiel auf eine Wiese. Jenseits der freien Fläche waren hinter einem Palisadenzaun die steilen Dächer eines Dorfes zu sehen. Aus Steinkaminen stiegen Rauchwolken empor, und auf den Wachgängen konnte man die Speere von Wächtern sehen. Die Lage der Stadt ermöglichte auch die Beobachtung eines weiteren Pfades, der sich in die Berge hinaufwand.
Die Krieger beschleunigten ihren Schritt, um ihre Trophäen eilig heimzubringen.
»Seltsam«, murmelte Saric, dessen unermüdliche Neugier noch immer offensichtlich war, trotz der Anstrengung des Marsches und des unsicheren Schicksals, das ihn erwartete. Anders als die Tsuranis schienen die Thuril gleichgültig gegenüber Gesprächen zwischen den Gefangenen. »Obwohl dieses Gras eine gute Weidefläche für Vieh wäre, ist es nicht
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