Tag der Vergeltung
… Die suchen ihn ja wie verrückt …«, erwiderte er.
»Und er ist auf dem Weg hierher?« Jetzt kapierte er, was hier vor sich ging.
»Genau«, sagte Borochov, »was für ein Glück, dass du dort bist, Meschulam. Wahnsinniges Glück. Du passt auf ihn auf, ja? Er ist für Faro unwahrscheinlich wichtig. Kann sein, dass wir ihn aus dieser idiotischen Haft herausbekommen, wenn wir ihnen dafür Nevo liefern.«
42
Eli Nachum lag in seinem engen, unbequemen Krankenhausbett und sah durch das Fenster hinaus auf die Stadt, die sich unter ihm erstreckte. Trotz des schönen Ausblicks – niedrige, eng beieinanderstehende Häuser und an deren Ende das weite blaue Meer – war er angespannt. Während der zwanzig Jahre im Polizeidienst hatte er sich der Institution gegenüber fortwährend loyal verhalten. Stets hatte er sich als Teil des großen Ganzen verstanden, und obwohl er kritisiert hatte, wie manche Dinge liefen, hatte er die Polizei in jeder Debatte verteidigt, die guten Dinge hervorgehoben, über die nicht berichtet wurde, und war mit großem Stolz Polizist gewesen. Und nun war ausgerechnet er drauf und dran, eine Aktion zu starten, die in krassem Gegensatz zu seiner bisherigen Loyalität stand.
Kreuzunglücklich sah er auf sein verbundenes Knie. Wäre er dazu in der Lage, würde er allein weitermachen. Aber das konnte er nicht. Er war auf Hilfe angewiesen. Den ganzen Vormittag hatte er sich mit der Entscheidung herumgeschlagen, ob er dieses Gespräch führen sollte. Und er war immer noch nicht davon überzeugt, dass er das Richtige tat.
Er konnte Ohad anrufen und ihn über das ins Bild setzen, was er wusste. Doch ehrlich gesagt wollte er das nicht. Der Fall gehörte ihm und er würde ihn auch zu Ende bringen. Er würde Ohad und Mosche Navon und allen ihren Zuträgern auf der Wache beweisen, dass er sein Handwerk nach wie vor beherrschte. So schnell Lorbeeren zu ernten stand ihnen nicht zu. Seine Rippen schmerzten, und er wechselte die Position. Außerdem hatte er einen Fehler begangen, also war es auch seine Pflicht, ihn auszubügeln. Die Tatsache, dass er vom Dienst suspendiert worden war, erschwerte die Sache, das war richtig, er hatte weder Befugnisse noch einen kompletten Apparat, der hinter ihm stand. Andererseits half ihm diese Tatsache, die Dinge mit neuem Blick zu analysieren. Er würde die Polizei nicht behindern, ihr aber auch nicht helfen. Mal sehen, wer als Erster am Ziel wäre.
Es klopfte leise an der Tür. Er drehte den Kopf zu rasch, sodass ihm der Schmerz das Gesicht verzerrte.
Bevor er etwas erwidern konnte, kam Amit Giladi ins Zimmer und stellte sich vor ihn, betroffen von Nachums zugerichtetem Gesicht.
»Was ist passiert?«, fragte Giladi erstaunt.
* * *
Giladi hatte etwas Irritierendes. Kreidebleich und spindeldürr, wie er war, meinte man, die nächste Windböe nähme ihn mit. Wollte man ihn jedoch abwimmeln, mit verschwommenen Antworten abspeisen, bekam man es mit einem hartnäckigen jungen Mann zu tun, wie er bei ihrem letzten Gespräch hatte feststellen müssen.
Im Gegensatz zu anderen Journalisten, die einen auf nett machten, damit er sie an seinen Informationen teilhaben ließe, hatte Giladi nie versucht, ihn für sich einzunehmen. Seine Fragen waren stets auf den Kern der Sache gerichtet und sachlich gewesen. Obwohl Nachum ihn verabscheute, so wie jeden Journalisten, der ihm über den Weg lief, rechnete er ihm diese Eigenschaft hoch an. Er erkannte sich selbst darin wieder.
»Ich will Ihnen ein Angebot machen.« Eli Nachum deutete auf den orangefarbenen Plastikstuhl neben seinem Bett.
Amit Giladi rührte sich nicht vom Fleck, starrte ihn weiterhin an, wartete auf eine Antwort, die Eli ihm nicht geben wollte.
»Ich möchte, dass Sie mir dabei helfen, den Vergewaltiger aus dem Norden zu schnappen«, sagte er leise.
Giladi sah ihn verblüfft an. »Ziv Nevo?«
»Nein.« Eli schüttelte den Kopf, woraufhin ein stechender Schmerz durch seinen Kiefer schoss. »Den wahren Täter.«
Der Journalist beobachtete ihn, still und hochkonzentriert, während Eli ihm seine These über das Täterprofil des eigentlichen Verbrechers darlegte.
Er überlegte, ob er ihm von Frau Glaser und der Tätowierung, die sie gesehen hatte, berichten sollte oder von den Ringen, die der Täter beiden Opfern abgenommen hatte, doch momentan behielt er die Informationen besser noch für sich. Würde Giladi sich beweisen, könnte er dieses Wissen mit ihm teilen. Er musste mit seinem Inventar an Anreizen
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