Tag der Vergeltung
Fitnessstudio als Kellnerin im Zodiac, einem beliebten Café in ihrem Viertel, gearbeitet habe. Für gewöhnlich hätte er ihrem vorherigen Arbeitsplatz keine übermäßige Bedeutung beigemessen – wäre dieser Name nicht schon einmal gefallen. Von Jaron Regev wusste er, dass Adi dort oft gewesen war. Er hatte sogar die Kellnerinnen vernommen und gefragt, ob ihnen ein Mann aufgefallen sei, der auf Adi Regevs Täterbeschreibung passte. Doch ohne Erfolg. »Diese Beschreibung trifft auf viele Leute zu, die hierherkommen«, hatten sie zu ihm gesagt.
War das vielleicht die entscheidende Parallele zwischen beiden Fällen? Dana war zwar bewusstlos und konnte keine weiteren Einzelheiten zum Fall beitragen, aber jetzt, da der Täter mehr und mehr an Kontur gewann, konnte er die Kellnerinnen gezielter befragen.
Er stand auf und biss sich auf die Lippen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Morgen würde er Ohad anrufen und ihm berichten, was er herausgefunden hatte. Wäre er dazu imstande, würde er die Ermittlungen allein fortsetzen, doch seine gesundheitliche Situation ließ es nun einmal nicht zu. Außerdem standen der Polizei bessere Instrumente zur Verfügung, um solche Ermittlungen zu meistern.
Langsam schritt er auf dem leeren Korridor voran, wo es nach Krankheit und Schmerz roch. Ja, vielleicht würde er morgen Ohad anrufen und ihm alles mitteilen. Vielleicht aber auch nicht.
40
Ziv war kurz davor zu verzweifeln. Seit einer halben Stunde stand er an der Kreuzung und nichts geschah. Einige Male hatte er sich eingebildet, dass Autos langsamer auf ihn zufahren würden, doch angehalten hatten sie nicht. Wieso holten sie ihn nicht ab? Und wer käme überhaupt?
Es war Anfang Dezember und die kühlen Temperaturen der Nacht krochen ihm in die Knochen, er trat von einem Bein aufs andere, um nicht ganz und gar auszukühlen. Als ein Einsatzwagen der Polizei an ihm vorüberfuhr, wandte er sich ab. Das fehlte ihm gerade noch.
Als der silberfarbene Landrover heranrollte, meinte er, sich wieder etwas vorzumachen. Doch nein. Das Auto hielt neben ihm, die Beifahrertür ging auf und ein fremder Mann sagte mit arabischem Akzent: »Steig ein«.
Diesmal saß nicht Meschulam hinten, sondern ein anderer Mann. Ziv wollte gerade erleichtert aufatmen, als er hörte, wie die Türen verriegelt wurden. Diesmal könnte er nicht fliehen. Egal was er veranstalten würde.
Als er realisierte, dass sie mit ihm nach Scha’ar Efraim wollten, überlief es ihn kalt. Warum zum Teufel fuhren sie mit ihm ins Westjordanland?
Er hoffte, dass der Soldat an der Straßensperre sie anhalten würde, zumindest wissen wollte, wohin sie fuhren, doch er ließ sie mit gleichgültigem Blick passieren. Warum interessierte ihn nicht, wieso ein israelisches Fahrzeug nachts um halb zwei in die unmittelbare Nähe von Tulkarem wollte?
Er blickte auf die kurvenreiche Straße, auf der um diese Zeit kaum jemand unterwegs war. Er war nicht zum ersten Mal hier. Kannte diese Straßensperre aus seiner Zeit als Soldat und später als Offizier. Nur hatte er damals eine Waffe gehabt und in einem geschützten Militärjeep gesessen. Nicht in einem Zivilfahrzeug, schutzlos, ausgeliefert, auf dem Weg ins Unbekannte. Damals hatte er sich außerdem für unbesiegbar gehalten und gemeint, dass es nur ausreichenden Selbstvertrauens bedurfte, um eine Absicht umzusetzen. Wie naiv und dumm er gewesen war.
Plötzlich kam ein Auto auf sie zugerast, die grellen Scheinwerfer blendeten ihn. Diese Fahrt war der glatte Wahnsinn. Was konnte er tun?
Ein weiteres Fahrzeug tauchte hinter ihnen auf. Hielt kaum einen Meter Abstand. Der Fahrer des Wagens startete ein Hupkonzert. Gleich käme er bei einem Auffahrunfall ums Leben, dachte Ziv. Er musterte den Fahrer neben sich, doch der sah unbeirrt nach vorn, ließ sich von dem Wagen hinter ihnen nicht beeindrucken. Schlagartig beschleunigte das Fahrzeug, überholte sie und verschwand dann hinter den Kurven.
Er sah sich nach allen Seiten um. Rundum Finsternis. Und wenn sie anhalten und ihm befehlen würden auszusteigen, hier, irgendwo auf der Straße? Oder noch schlimmer: ihn erschießen und seine Leiche am Straßenrand liegenlassen würden? Womöglich war es das, was Faro wollte: einen terroristischen Anschlag mit nationalistischem Hintergrund inszenieren.
Er sah das Ortsschild von Schufa, dann Safarin und Beit Lid. In ein paar Kilometern würden sie an der religiösen Siedlung Einav vorbeikommen. Wohin fuhren sie mit ihm?
Ein Handyklingeln ließ
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