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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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straffgepumpte Vene. Gottvater Jahwe mit nacktem Arsch beugt sich über ihn …
    Doch meine Augen kehren sich längst anderwärts. Ich sehe die Vene an meinem linken Arm. Ich sehe sie ganz deutlich. In der blassen Beuge, aus der Mitte des prallen Venenstrangs, schaut ein winziger, millimeterkurzer Sterlettschwanz hervor.
    O göttlicher Moment, da das goldene Fischlein in die Blutbahn eintaucht! Ein Moment, allem Irdischen enthoben, vergleichbar allenfalls der Verzückung Adams, unseres Urahnen, in den Laubhütten des Paradieses, nachdem er von nie gesehenen Früchten gekostet, wie der Graubart Jahwe sie für ihn allein erschuf.
    Einmal noch zuckt der goldene Schwanz, und das Fischlein ist in mir verschwunden. Schwimmt den Blutstrom hinauf! Aus dem verbliebenen Löchlein schießt eine fadendünne rote Fontäne. Ich drücke die Vene zu, lege den Kopf zurück auf das weiche Kissen, schließe die Augen. Spüre, wie das goldene Fischlein in mir schwimmt, die Vene flussauf, wie in Mütterchen Wolga zur Frühlingszeit, auf dem Weg zum Laichen in den oberen Gründen. Hinan, hinan! Das goldne Fischlein kennt sein Ziel: Es will in mein Hirn. Das seiner harrt in großer Erwartung, auf dass es den himmlischen Laich empfange, den goldenen Kaviar vom Zauberstör! Schwimm, schwimm, du mein Goldfischlein, lass dich nicht aufhalten, schleudere den güldenen Laich mir ins müde Hirn, auf dass Welten aus den Eiern schlüpfen, große, ergreifende, phantastische Welten … Auf dass mein Hirn aus dem Schlaf erwache.
    Mit trockenen Lippen beginne ich laut zu zählen:
    Eins.
    Zwei.
    Drei …

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    ACH, WAS SEHEN MEINE AUGEN, groß und kullerrund,
    Meine Äugelein, so rund und honiggelb,
    Äuglein honiggelb an meinem Hammerkopf,
    Meinem Hammerkopf, dem gar gewaltigen!
    Und der Kopf, mein Hu-ho-hammerkopf,
    Sitzt auf wackerem, auf li-lu-langem Hals,
    Einem Hals, der ellenlang und biegsam ist,
    Der geschuppt ist wie ein edler Schlangenleib.
    Und an meines Kopfes grüner Seit’
    Schaukeln noch sechs Köpfe, gleiche Köpfe hin und her,
    Schaukeln, schwingen, schlängeln, züngeln umeinand’,
    Blinzeln sich mit hi-ha-honiggoldnen Äuglein zu.
     
    Sie beblinzeln sich, und sie beschnauben sich,
    Reihum rülpsen, rotzen, fauchen, husten sie.
    Klappen ihre roten Rachen munter auf und zu,
    Rachen, aufgesperrte, rot und wunderbar,
    Rosa Zahnfleisch, überall mit scharfen Zähnen drin.
    Aus dem Rachen wallt und wa-bra-ba-bert Rauch,
    Wallt ein ätzend Rauch und fährt ein Feuerstoß,
    Ein Gegrunz entfährt ihm und ein Mordsgebrüll.
     
    Dazu kommt, dass jeder Kopf auch seinen Namen hat,
    Einen Namen, der ihn ehrt und der ihn ziert:
    Und der erste Kopf, er ward geheißen Ältester,
    Und der zweite Kopf daneben nennt Komjaga sich,
    Und der dritte Kopf ist jener, welcher Schelet heißt,
    Und den vierten Kopf sprich mit Samosja an,
    Und der fünfte Kopf kann nur Jerocha sein,
    Weil der sechste Kopf den Namen Mokry trägt
    Und der siebte Kopf schlussendlich Prawda ist.
    Doch das siebenköpf’ge Ganze heiß’ Gorynytsch ich –
    Ist ein feuerspeiend Lindwurm, ein verheerender!
     
    Und der Rumpf, der diese sieben Köpfe trägt,
    Er ist bullig, bri-bra-beit und in den Hüften fett,
    Und an diesem wuchtig breiten, fetten Rumpf
    Hängt ein Schwanz, ein schwerer Ringelschwanz,
    Und getragen wird der Rumpf, der makellose Rumpf,
    Von zwei Beinen, dick und dicker noch als dick,
    Von zwei Füßen, zäher noch als zäh,
    Krall’n sich tief ins Erdreich, in das bröcklige.
     
    Aus dem Rumpf, den Hüften aber – aufgepasst! –
    Wachsen Schwingen. Zwei! Daran sind Flughäute!
    Und die Schwingen, diese kri-kra-kräftigen,
    Kräftig-sehnigen, zieht’s in die Luft hinauf.
    Diese Flügelspanne! Dieser kühne Schwung!
    Federnd, knatternd, aufwärts strebend noch und noch,
    Von der Scholle reißend dich, der lieben, heimischen.
    Wir erheben uns über das weite Land,
    Das gesamte Land, das ganze russische.
    Und wir schweben hoch, im hohen Himmelsblau,
    Über Grenzen weg, egal, wohin – wohin wir woll’n.
     
    Also fragt einer, es fragt der siebte Kopf:
    »Wohin fliegen wir, wohin führt unser Weg?«
    Also fragt einer, es fragt der sechste Kopf:
    »Welche Gegend soll es, wird es heute sein?«
    Also fragt einer, es fragt der fünfte Kopf:
    »Ist der Weg, der unsrige, ist er denn weit?«
    Also fragt einer, es fragt der vierte Kopf:
    »Wohin wenden wir die flinken Flügel dieses Mal?«
    Also fragt einer, es fragt der dritte Kopf:
    »Unsren Schwanz, das Ruder,

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