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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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anderen. Da muss mehr Ruhe rein, mehr Ordnung.«
    »Das bist immer du, Schelet, der die Hummeln kriegt«, sagt Jerocha hustend. »Nie geht es dir schnell genug, Mann.«
    »Ach, kommt!«, wehrt Schelet ab und räkelt sich. »War doch prima, oder etwa nicht? Das mit dem Schiff ganz besonders … wie sie durch die Bullaugen gekrochen sind und ins Wasser gesprungen!«
    »Stimmt!«, nickt Mokry. »Aber in der Stadt fand ich es noch lustiger: wie wir den Siebenstrahlfächer aufgefahren haben, und die saßen winselnd in ihrem Wolkenkratzer … scharf! Und unser Komjaga hat wieder den Vogel abgeschossen, was? Wie er sie rangenommen hat, diese Amerikanerin! Der Arsch hat ihr geraucht!«
    »Komjaga hat eben Einfälle! Nicht umsonst hat er studiert, Scheiße nochmal!«, lacht Prawda.
    Für den Fluch kriegt er vom Alten gleich eine aufs Maul.
    »Entschuldige, Ältester, mich hat der Teufel geritten«, sagt Prawda und zieht eine Flunsch.
    »Alles in allem gut gelaufen«, zieht der Alte Bilanz. »Korrekte Fischlein!«
    »Korrekt!«, erklären wir uns einverstanden.
    Dann kleiden wir uns an.
    Was die Goldsterlette noch auszeichnet, ist, dass man an ihnen keine Kräfte lässt, sondern im Gegenteil welche dazugewinnt. Es ist, als wäre man zur Kur gewesen, auf unserer sonnigen Krim. Als hätten wir draußen Ende September, und du kämest gerade aus Koktebel, wo du drei Wochen im goldenen Sand herumgelegen und deine diversen Glieder einer raffinierten tatarischen Massage unterzogen hast. Und nun scherst du dich wieder heim in die Metropole, und wie du in Wnukowo landest und dem Silbervogel entsteigst, die Moskauer Landluft tief in dich einsaugst und sie einWeilchen dort drinnen behältst – da geht es dir auf einmal so gut, da fühlst du dich so wohl in deiner Haut, so im Recht , Herr der Lage, verantwortlich – und du weißt, dein Leben ist im Lot, du hast Mumm und bist ein Teil der großen Sache, hast Partner, wackere Kerls, die auf dich warten, und zu tun gibt es genug, und die Feinde sind nicht weniger geworden, und der Gossudar ist gesund und bei Laune, und was die Hauptsache ist: Russland geht es prächtig, es ist reich, es ist riesig, es ist einig, und es ist immer noch da, hat sich nicht wegbewegt in den drei Wochen, im Gegenteil – die jahrhundertealten Wurzeln sind noch tiefer hineingewachsen in das Fleisch der Erde.
    Der Alte hat recht. Von den Fischlein kriegt man Lust aufs Leben und aufs Arbeiten – vom Harry kriegt man nur Lust auf neuen Stoff.
    Ich blicke auf die Uhr. Nur ganze dreiundvierzig Minuten bin ich als Lindwurm durch die Welt gehirscht – und dabei ist mir, als wäre es ein ganzes Leben gewesen. Das, anstatt mich auszulaugen, neue Kraft freigesetzt hat für den Kampf gegen äußere und innere Feinde.
    Was die Fischlein angeht, bewegen mich so einige Fragen: Wenn sie uns, den Opritschniki, dermaßen guttun, wieso kann man sie dann nicht wenigstens für uns legalisieren – exklusiv? Nicht nur ein Mal hat der Alte in dieser Frage schon beim Gossudaren vorgefühlt, doch der ist unerschütterlich: Vor dem Gesetz seien alle gleich.
    Frisch und gleichsam verjüngt verlassen wir das Bad. Ein jeder steckt dem tätowierten Koljacha einen halben Rubel zu. Zufrieden dankt er es uns mit einer Verbeugung.
    Draußen ist es immer noch kalt, die Sonne, schon im Sinken, hat sich hinter Wolken verzogen. Höchste Zeit, frisch ans Werk zu gehen. Bei mir liegt als Nächstes ein Sternensturz an. Eine wichtige Sache, eine Staatsangelegenheit.
    Ich setze mich in meinen Merin und wechsle hinüber auf die Schabolowka. Erkundige mich, ob alles bereit ist. Scheint so zu sein.
    Ich fingere nach Zigaretten – auf die Fischlein ist der Drang zu rauchen immer groß. Keine mehr da. Ich bremse vor einem Volkskiosk. Der Händler, rotgesichtig wie ein Schaubudenkasper, steckt den Kopf aus seinem Hüttchen.
    »Was wünschen der Herr Opritschnik?«
    »Zigaretten, bitte.«
    »Wir hätten Rodina mit Filter und Rodina ohne selbige.«
    »Mit Filter. Drei Schachteln.«
    »Bitte schön. Wohl bekomm’s!«
    Anscheinend hat der Junge Humor. Während ich die Brieftasche hervorhole, betrachte ich die Auslagen. Das Standardsortiment eines Lebensmittelkiosks: eine Sorte Zigaretten (Rodina) und eine Sorte Papirossy (Rossija), eine Sorte Wodka und eine Sorte Korn, Bonbons der Sorte »Teddy Tolpatsch« und Bonbons der Sorte »Teddy am Nordpol«, Schwarzbrot und Weißbrot, Butter und Margarine, Apfelmarmelade und Pflaumenmarmelade, Fleisch mit und ohne

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