Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
Vom Netzwerk:
drehen wir in welchen Wind?«
    Also fragt einer, es fragt der zweite Kopf:
    »Welch Gefilde fassen wir ins scharfe Auge nun?«
     
    Doch der erste Kopf, welcher der Leitkopf ist,
    Der Bestimmer, gibt zur Antwort Folgendes:
    »Heute fliegen wir einfach der Nase nach,
    Durch den blauen Himmel immer geradeaus,
    Gradenwegs dahin bis in ein fernes Land,
    In ein fernes Land, das reich und mächtig ist,
    Das sich hinterm Meer, dem Ozean, erstreckt,
    Sich da bläht und blüht und an sich selbst ergetzt
    und das Gold und Geld reichlich gescheffelt hat.
     
    In dem Land, dem fernen Land, da kann man Häuser seh’n,
    Grad wie Türme hat man Häuser eins am andern steh’n,
    Eins am andern, alle turmhoch, nadelspitz,
    Stechen gnadenlos den schönen blauen Himmel an.
    In den hohen, spitzen Häusern wohnen Menschen drin,
    Menschen ohne Scham und Ehr’ und ohne Hemmungen,
    Frech und ehrlos sind sie, ohne Gottesfurcht,
    Ohne Gott leben die Menschen in den Tag hinein,
    Und sie suhlen sich in Sünden, ganz abscheulichen,
    Im abscheulichsten Exzess und haben Spaß daran.
     
    Was uns heilig ist, verlachen und verhöhnen sie,
    Hohn und Spott, das Gift der Niedertracht, versprühen sie
    Und umgeben sich mit gleisnerischem Teufelszeug.
    Auch auf Russland, unser Heiliges, da spucken sie,
    Unser rechtgläubiges Land geht denen am Arsch vorbei,
    Was auf Erden recht und wahr ist, amüsiert sie nur,
    Gottes Namen in den Dreck zieh’n, ja, das können die.
     
    Ebendarum lassen wir jetzt alle Grenzen hinter uns,
    Darum fliegen wir am hohen blauen Himmel lang,
    Über Nachbarländer, Handelspartner, drüber weg,
    Über Hain und Flur und ausgedehnte Wälder weg,
    Über weite, endlos weite grüne Wiesen weg,
    Über Flüsse weg und Seen, spiegelglatte, weg,
    Über alte Metropolen, ganz Europa weg.
    Und dann geht die Reise los, geht sie erst richtig los,
    Denn nun segeln quer wir über Meer und Ozean,
    Übern Ozean zum fernen Land der Gottlosen.«
     
    Und so geht es: Flügel spreizen, weit, so weit es geht,
    Und den Schwanz geschickt in alle sieben Winde drehn,
    Dass der achte, schnelle schräg unter die Flügel greift,
    Schräg von vorn, denn dieser schnelle achte ist ein Gegenwind.
    Und wir haben uns dem Gegenwind schnell angepasst,
    Ihn gesattelt und bestiegen, einem Rappen gleich,
    Und auf ihm, dem muntren Wildfang, ritten wir davon,
    Ritten aus, dem Ziel entgegen, auf Gefahren zu …
     
    Und so flogen wir dahin bis an den zehnten Tag,
    Und so flogen wir dahin bis an die zehnte Nacht.
    Heißt: zehn Tage-Nächte über nichts als glatter See,
    Über Wellenbergen, Wellentälern, Gischt und Sturmgebraus.
    Unsre Flügelhäute machten ganz allmählich schlapp,
    Unsre Lindwurmköpfe, alle sieben, wurden schläfrig nun,
    Auch der Schwanz, das Ruder, lag nicht mehr so hart am Wind,
    Und die Krallenfüße schlenkerten am Bauch herum.
     
    Da auf einmal sahen wir im Meer, im Ozean,
    Eine Insel, festgefügt aus Stahl, ein Stelzenhaus,
    Dazu da, das Blut zu saugen von Jahrtausenden
    Aus dem Schoß der Mutter Erde, aus dem tiefen Schoß.
    Also fuhren wir im Sturzflug auf das Eisenhaus,
    Rissen ab das Dach, das eiserne,
    Fraßen auf die zwölf Verworfenen,
    Ihre Knochen haben wir ins Meer gespuckt.
    Darauf ruhten wir drei Tage und drei Nächte lang
    In dem Haus, das wir in Brand gesetzt die vierte Nacht,
    Um sodann den Weg nach Westen wiederaufzunehmen.
     
    Und noch einmal flogen wir bis an den zehnten Tag,
    Und noch einmal flogen wir bis an die zehnte Nacht.
    Heißt: zehn Tage-Nächte über nichts als glatter See,
    Über Wellenbergen, Wellentälern, Gischt und Sturmgebraus.
    Unsre Flügelhäute machten ganz allmählich schlapp,
    Unsre Lindwurmköpfe, alle sieben, wurden schläfrig nun,
    Auch der Schwanz, das Ruder, lag nicht mehr so hart am Wind,
    Und die Krallenfüße schlenkerten am Bauch herum.
     
    Da auf einmal sahen wir, im Meer, im Ozean,
    schwimmt ein Schiff, gigantisch, sechs Etagen hoch,
    schwimmt gen Osten – irre, was für’n Riesenkahn! –
    Aus dem gottverlassenen, dem Ketzerland.
    Führt an Bord nur Schrott, nur miese Schundware,
    Führt an Bord nur üble Gotteslästerer,
    Führt an Bord nur staatsfeindliche Schriftstücke,
    Führt an Bord satanisches Amüsement,
    Führt an Bord des Teufels schwüle Lustbarkeit,
    Führt an Bord nur Huren, Frettchen, Schneegänse.
    Unser Überfall auf dieses Schiff glich einem Wirbelwind.
     
    Sieben Köpfe stießen Feuer aus,
    Sieben Köpfe, sieben Mäuler auch,
    Brannten aus das ekle Kroppzeug,

Weitere Kostenlose Bücher