Tage der Freuden
zahlreiche Geliebten, ferner eine Ordensschwester, die mit dem Klerus konspiriert. Die Aristokraten sind tapfer, haben Schulden, ruinieren und prügeln die Wucherer, sind unweigerlich Helden auf dem Gebiete der Ehre, sie herrschen durch ihre Eleganz, erfinden die neuen Moden, sind ausgezeichnete Söhne, herablassend zum Volk, hart gegen die Bankiers. Immer den Degen in der Hand, eine Frau hinter sich im Sattel, so träumen sie von der Wiederkehr der Monarchie, sind furchtbar faul, aber nie arrogant gegen anständige Menschen, sie treiben die Verräter in die Flucht, beleidigen die Feiglinge und Schwadroneure und verdienen sich durch eine gewisse ritterliche Art unsere nimmer zu erschütternde Sympathie.
Im Gegensatz hierzu erweckt die ansehnliche, zugeknöpfte Finanzwelt wohl unsere Achtung, aber auch unsere Abneigung. Selbst im tollsten Treiben eines Balles behält der Finanzmann seinen klaren Kopf. Einer seiner zahllosen Kommis erscheint stets, um ihm die letzten Kurse zu bringen, selbst um vier Uhr morgens. Seiner Frau verheimlicht er seine glücklichsten Spekulationen, seine schwersten Verluste. Man weiß nie, ist er ein Potentat oder ein Gauner. Er ist bald das eine, bald das andere, sagt aber nie voraus, was. Trotz seines riesigen Besitzes delogiert er ohne Gnade und Barmherzigkeit den kleinen Mieter, ohne ihm nur ein Quartal zu stunden, es sei denn, daß er ihn zum Spion verwenden oder mit seiner Tochter ein Verhältnis beginnen will. Übrigens fährt er allezeit im Wagen, kleidet sich ohne Geschmack, trägt immer ein Augenglas.
Für die protestantische Gesellschaft empfanden sie nun keine besondere Hinneigung. Sie ist kalt, geziert, gibt nur ihren Armen, besteht ausschließlich aus Pastoren. Das Gotteshaus ähnelt zu sehr dem Wohnhaus, und das Wohnhaus ist trist wie das Gotteshaus. Hier ist immer ein Pastor zu Mittag eingeladen. Die Diener ermahnen ihre Herrschaften, zitieren Bibelverse. Die Protestanten scheuen die Fröhlichkeit, weil sie nichts verheimlichen wollen, und wenn sie mit Katholiken sprechen, lassen sie ihren ewigen Groll durchschimmern über die Zurücknahme des Ediktes von Nantes und über die Bartholomäusnacht.
Die Welt der Künstler ist auch aus einem Guß, aber ganz verschieden von der andern. Jeder Künstler ist ein Spaßvogel, übers Kreuz mit seiner Familie, trägt nie Zylinderhut, spricht sein eigenes Kauderwelsch. Sein Leben besteht darin, den Polizisten Streiche zu spielen, wenn sie ihn holen kommen, oder groteske Verkleidungen für den Maskenball ausfindig zu machen. Nichtsdestoweniger bringen sie oft Meisterwerke hervor, bei den meisten ist sogar der Mißbrauch von Weib und Wein die Ursache ihrer Inspiration, wenn nicht die Ursache ihres Genies. Sie schlafen am Tage, nachts gehen sie spazieren, arbeiten, niemand weiß wann, den Kopf haben sie stolz zurückgebogen, so lassen sie im Winde eine weiche Krawatte flattern, und zwischen den Fingern rollen sie unaufhörlich Zigaretten.
Die Welt des Theaters unterscheidet sich kaum von der letztgenannten. Man macht hier in keiner Weise von den Wohltaten des Familienlebens Gebrauch, man ist phantastisch und unerschöpfbar generös. Die Künstler sind wohl eitel und eifersüchtig, auch neidisch, aber sie erweisen einander doch unaufhörlich Gefälligkeiten, applaudieren, um dem andern zum Erfolg zu helfen, adoptieren Kinder von schwindsüchtigen oder unglücklichen Schauspielerinnen. Man schätzt sie in der Gesellschaft, obgleich sie infolge ihrer mangelhaften Erziehung oft frömmlerisch und abergläubisch sind. Die Mitglieder der Staatstheater nehmen einen eigenen Rang ein; durchaus würdig unserer Verehrung, könnten sie ebensogut bei Tisch neben einem General sitzen oder vor einem Fürsten rangieren, sie tragen in ihrem Busen die Gefühle, deren Ausdruck die Meisterwerke unserer dramatischen Literatur auf den ersten Bühnen wiedergeben. Ihr Gedächtnis ist erstaunlich, ihre Haltung vollendet.
Nun zu den Juden! Ohne sie auf die Proskriptionsliste zu setzen (man muß liberal sein), war es den beiden unausdenkbar, sich mit Juden zusammenzufinden, denn diese hätten alle in ihrer Jugend Augengläser verkauft, nun hatten sie in Paris (mit einer Pietät allerdings, die man unparteiisch anerkennen mußte) ihre eigenen Gebräuche eingeführt, einen unverständlichen Wortschatz, ferner die rituellen Schächter. Alle hatten sie krumme Nasen, außerordentliche Klugheit, eine gemeine Seele, die sich nur nach dem Geldinteresse richtet. Im Gegensatz
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