Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
Vom Netzwerk:
sagte zu ihrem Leibjäger:
    »Zur Prinzessin von A.«
II
    Die Soiree bei der Prinzessin war sehr langweilig. Plötzlich richtete Madame de Breyves an Geneviève die Frage:
    »Wer ist denn der junge Mann, der dich zum Büfett geführt hat?«
    »Es ist Herr von Laléande, den ich übrigens gar nicht näher kenne. Willst du, daß ich ihn dir vorstelle? Er hat mich darum gebeten, ich habe nur so obenhin geantwortet, denn er ist äußerst unbedeutend und langweilig, und da er dich sehr hübsch findet, würde er sich wie eine Klette an dich heften.«
    »Nein, das gibt es nicht!« sagte Françoise. »Er ist übrigens nicht gerade der Schönste, recht banal, trotz seiner wirklich schönen Augen.«
    »Du hast recht«, sagte Geneviéve. »Und dann wirst du ihm oft begegnen, und es könnte dir lästig werden, wenn du mit ihm bekannt wärest.« Sie fügte scherzend hinzu: »Wenn du also jetzt seine nähere Bekanntschaft ablehnst, verlierst du eine fabelhafte Gelegenheit.«
    »Ja, eine fabelhafte Gelegenheit«, sagte Françoise und dachte bereits an etwas anderes.
    »Übrigens, trotz alledem«, sagte Geneviève, die es zweifellos schon bereute, eine so ungetreue Botin gewesen zu sein und ohne Notwendigkeit den jungen Mann eines Vergnügens beraubt zu haben, »es ist eine der letzten Soireen der Saison, es ist weiter keine große Angelegenheit, ihn kennenzulernen, und es wäre sogar liebenswürdiger.«
    »Einverstanden, wenn er hier vorbeikommt.«
    Er kam nicht vorbei. Er stand am anderen Ende des Salons ihnen gerade gegenüber.
    »Wir müssen gehen«, sagte Geneviève bald.
    »Noch einen Augenblick«, sagte Françoise.
    Und aus Laune, vor allem aus Koketterie gegen diesen jungen Mann, der sie wirklich sehr hübsch finden mußte, begann sie, ihren Blick ein wenig länger auf ihn zu heften, dann blickte sie fort und sah ihn von neuem an. In diesem Blick legte sie mit Absicht, sie wußte nicht warum, viel Zärtlichkeit, grundlos oder rein zum Vergnügen, aus dem Vergnügen heraus, wohlzutun, oder ein wenig aus Stolz und ein wenig deshalb, weil es unnütz war, so wie es Leuten Spaß macht, ihren Namen in einen Baum zu schnitzen, damit ihn ein Spaziergänger erblicke, den sie nie sehen werden, oder einfach so, wie man eine Flasche ins Meer wirft. Die Zeit verging, es war bereits spät. Herr von Laléande wandte seine Schritte zur Tür, die offen blieb, nachdem er gegangen war, und Madame de Breyves sah, wie er im Vorraum seinen Garderobenschein vorwies.
    »Du hast recht, es ist Zeit, zu gehen«, sagte sie zu Geneviève.
    Sie erhoben sich. Aber durch einen Zufall hatte ein Freund irgend etwas ihrer Geneviève zu sagen, nun sah sich Françoise allein in der Garderobe. Anwesend war bloß Herr von Laléande, der seinen Stock nicht finden konnte. Françoise belustigte es noch ein letztes Mal, ihn anzusehen. Er kam an ihr vorbei, streifte zart ihren Ellenbogen mit dem seinen und flüsterte, als er ihr ganz nahe war, während er tat, als ob er weitersuchte, und seine Augen glänzten:
    »Kommen Sie zu mir, Rue Royale 5.«
    Sie war so wenig darauf vorbereitet, und andererseits schien Herr von Laléande jetzt so vertieft in das Suchen seines Stockes, daß sie in der Folgezeit niemals ganz genau wußte, ob das nicht eine Halluzination gewesen war. Vor allem empfand sie eine außerordentliche Angst. In diesem Augenblick kam der Fürst von A. vorbei, sie rief ihn zu sich, wollte eine Verabredung mit ihm treffen, am nächsten Tag einen Spaziergang mit ihm zu unternehmen, und schwätzte ohne Unterlaß. Während dieser Konversation hatte sich Herr von Laléande entfernt. Geneviève erschien unmittelbar darauf, und die beiden Freundinnen gingen. Madame de Breyves erzählte nichts, sie blieb verletzt und geschmeichelt, aber nicht eigentlich sehr ergriffen. In den nächsten zwei Tagen dachte sie hin und wieder daran zurück, schließlich zweifelte sie an der Wirklichkeit der Worte des Herrn von Laléande, und sie versuchte sich alles ins Gedächtnis zurückzurufen, konnte es eigentlich nicht, glaubte, sie hätte die Worte nur wie im Traum gehört, und die Berührung ihres Ellenbogens sei nur zufälliges Ungeschick gewesen. Weiterhin dachte sie nicht spontan an Herrn von Laléande, und wenn sie zufällig seinen Namen nennen hörte, mußte sie sich eilig seiner Züge entsinnen und hatte ganz und gar diese Halluzination mit Fragezeichen in der Garderobe vergessen.
    Sie sah ihn wieder in der letzten Soiree dieses Jahres, es war Ende Juni, sie wagte nicht

Weitere Kostenlose Bücher