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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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hierzu sind die Frauen schön, ein bißchen schlaff, aber auch der tiefsten Empfindungen fähig. Wie vielen Katholiken könnten sie zum Muster dienen! Warum konnte man sich von dem Vermögen der Juden nie eine Vorstellung machen, weshalb hielten sie es geheim? Im übrigen bildeten sie eine Art großer geheimer Gesellschaft, gleich den Freimaurern, den Jesuiten. Sie besaßen irgendwo im dunkeln unermeßliche Schätze, waren im Solde der nicht zu fassenden Feinde, nach einem Plane, der schreckensvoll war und mysteriös.
II
Melomanie
    Zweirad und Malerei machten ihnen keinen Spaß mehr, so entschlossen sich Bouvard und Pécuchet, ernsthaft sich an die Musik zu machen. Pécuchet gab seine Stimme – als alter Freund der Tradition und der Ordnung und als treuer Anhänger der munteren Lieder – der heiteren Muse und dem »schwarzen Domino«, hingegen war Bouvard, immer revolutionär – man muß es sagen – »ein strammer Wagnerianer«. Um die Wahrheit zu gestehen, kannte er keine einzige Partitur des »Schreihals von Berlin«, wie ihn grauenhafterweise Pécuchet benamste, der stets Patriot und stets Ignorant war. Denn woher sollte er sie kennen? Hier in Frankreich war’s unmöglich, das Konservatorium krepiert in der Routine, zwischen Colonne, der hohnlacht, und Lamoureux, der buchstabiert – ebenso unmöglich auch in München, wo sich noch keine Tradition gebildet hat – noch auch in Bayreuth, das von den Snobs unerträglich verseucht ist. Ebenso ist es ein Unsinn, die Partitur auf dem Piano zu spielen, die Illusion der Szene ist unerläßlich, ebenso das versenkte Orchester und die völlige Verdunklung des Saales. Immerhin blieb, um alle Besucher niederzuschmettern, das Vorspiel zu »Parsival« stets geöffnet auf dem Klavierpulte, zwischen den Photographien des Federhalters von César Franck hier und der Photographie von Botticellis »Frühling« dort.
    In der Partitur der »Walküre« war »Winterstürme wichen dem Wonnemond« sorgfältig ausgerissen. In dem Verzeichnis der Wagneropern waren auf der ersten Seite »Lohengrin« und »Tannhäuser« mit empörtem Schwung mittels eines roten Stiftes ausgestrichen. »Rienzi« allein fand von allen Jugendopern Gnade. Es zu leugnen, sei doch banal, die Entscheidungsstunde sei gekommen – versuchte listig Bouvard –, die Stunde, eine neue, gegenteilige Ansicht zu inaugurieren. Gounod war direkt lächerlich, Verdi war zum Schreien. Weniger freilich als Erik Satie, wer wagt es zu leugnen? Indessen erscheint doch Beethoven beachtlich in der Art eines Messias. Selbst ein Bouvard konnte, ohne sich zu demütigen, in Bach einen Vorläufer grüßen. Saint-Saëns ist ein Windhund, Massenet formlos – so wiederholte er unaufhörlich gegen Pécuchet, in dessen Augen wiederum Massenet ein Windhund und Saint-Saëns ohne Form war.
    »Die Sache ist so, daß der eine uns belehrt, der andere uns bezaubert, ohne uns emporzuheben«, darauf bestand Pécuchet. Für Bouvard waren beide tadelnswert in gleicher Weise. Massenet hatte einige Ideen aufgegriffen, zwar waren sie banal, und auch Ideen hatten ihre Zeit, Saint-Saëns hingegen besaß einigermaßen Stil, wenn auch veralteten. Über Gaston Lemaire waren sie nicht ganz im klaren, aber es kam die Zeit, da sie wortreich Chausson und Chaminade einander gegenüberstellten. Übrigens war es Pécuchet, trotz seiner ästhetischen Bedenken und aus vollem Herzen (jeder Franzose ist ritterlich und gibt den Frauen immer den Vortritt) – mit einem Wort, beide gaben aus Galanterie der Dame Chaminade den ersten Platz unter den Tageskomponisten.
    Es war in Bouvard noch mehr das demokratische als das musikalische Element, das ihn hieß, die Musik des Charles Levadé auf die Proskriptionsliste zu setzen, denn war es nicht gleichbedeutend mit einer Reaktion gegen jeden Fortschritt, wenn man sich an Verse der Frau von Girardin klammerte, jetzt im Zeitalter des Dampfes, des allgemeinen Wahlrechtes und des Fahrrades? Übrigens hielt Bouvard an seiner Theorie der »Kunst für die Kunst« fest, er war für das Spiel ohne Nuancen, für den Gesang ohne Schwebungen, weiterhin erklärte er, er könne Levadé nicht singen hören, er sei ihm zu sehr Typus Musketier, zu sehr Spaßmacher, und seine Eleganz sei zu billig im Sinne einer veralteten Sentimentalität.
    Aber der eigentliche Zankapfel war Reynaldo Hahn. Dessen Intimität mit Massenet trug ihm unaufhörlich die bittersten Sarkasmen von Seiten Bouvards ein und machte ihn eben dadurch zum leidenschaftlichst

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