Tage der Freuden
erwählten Objekt von Pécuchets Liebe, außerdem hatte er die Eigenschaft, durch seine Vorliebe für Verlaine (die übrigens Bouvard teilte) jenen maßlos zu reizen. »Vertonen Sie Jacques Normand, Sully Prudhomme, den Grafen Borelli! Gott sei Dank, im Land der Troubadoure fehlt es an Dichtern nicht!« fügte der Patriot hinzu. So schwankte Pécuchet zwischen dem deutschen Klange des Wortes Hahn und dem mittelländisch romanischen Klange des Reynaldo. Er wollte ihn hören, mehr aus Haß gegen Wagner, als um ihn zugunsten Verdis freizusprechen, und so schloß er streng, gegen Bouvard gewendet: »Trotz der Bemühungen aller dieser feinen Herren ist unser schönes Frankreich ein Land der Klarheit, die französische Musik wird klar sein oder zugrunde gehen«, und dabei hieb er aus Leibeskräften auf den Tisch.
»Was habt ihr mit den Exzentriks jenseits des Ärmelkanals, was mit den Nebelgeistern jenseits des Rheins zu schaffen? Hört endlich einmal auf, über die Vogesen zu schielen«, fügte er hinzu und sah Bouvard mit ernster Festigkeit und voller Anspielungen an. »Ausgenommen immer die Verteidigung der heimischen Scholle. Mag die ›Walküre‹ in Deutschland gefallen, ich bezweifle es, für französische Ohren bleibt sie die höllischeste aller Martern, die scheußlichste Kakophonie! Bitte nicht zu vergessen, die tiefste Demütigung für unsern nationalen Stolz.
Kann man sich eine Oper vorstellen, in der in so abstoßendem Maße die grauenhaftesten Dissonanzen sich mit der empörendsten Blutschande paaren? Ihre Musik, mein Herr, ist voll von Ungeheuern, und man weiß nichts anderes, als neue zu erfinden. In der Natur, die doch sonst die Mutterquelle aller Einfachheit ist, gefällt euch allein das Grausige. Schreibt nicht Herr Delafosse Musik auf die Fledermäuse, worin die Extravaganz des Komponisten die alte Reputation des Pianisten schädigen wird? Weshalb hat er nicht ein nettes Vögelchen ausgewählt? Melodien auf die Spatzen wären wenigstens pariserisch gewesen. Die Schwalbe verfügt über Leichtigkeit und Anmut, und die Lerche ist etwas so spezifisch Französisches, daß sie Cäsar (angeblich) in gebratenem Zustande an die Helme seiner Soldaten heften ließ. Aber Fledermäuse!!! Den Franzosen wird stets nur Offenheit und Klarheit ergreifen, immer wird er dieses nachtliebende Tier verabscheuen. In den Versen des Herrn von Montesquieu mag’s noch hingehen, als die Laune eines blasierten großen Herrn, das kann auch der Strengste ihm nicht verbieten, aber in der Musik!! Wann kommt das Requiem der Känguruhs?« Diesen guten Witz belachte Bouvard. »Gestehen Sie, ich habe Sie zum Lachen gebracht«, sagte Pécuchet (ohne Geckenhaftigkeit, denn das Selbstbewußtsein geistvoller Leute ist zu verzeihen), »schlagen Sie ein, Sie müssen die Waffen strecken!«
Trauriger Landaufenthalt der Madame de Breyves
»An welcher Liebe, Ariadne, meine Schwester, verblutest Du Dich – doch an dem Gestade, wo man Dich verlassen hat?«
I
Françoise de Breyves schwankte an diesem Abend lange, ob sie zu der Soiree der Prinzessin Elisabeth von A. oder in die Oper oder in die Komödie von Livray gehen sollte.
Sie weilte bei Freunden zum Diner, man war schon seit einer Stunde vom Tisch aufgestanden, und sie mußte einen Entschluß fassen.
Ihre Freundin Geneviève, die mit ihr heimkehren sollte, bestand auf die Soiree bei Madame von A., während Frau von Breyves, ohne genau zu wissen warum, einen der beiden anderen Vorschläge vorgezogen hätte, oder selbst einen dritten, nämlich den, nach Hause zurückzukehren und schlafen zu gehen. Als man ihren Wagen meldete, hatte sie noch keinen Entschluß gefaßt.
»Wirklich«, sagte Geneviève, »du bist gar nicht nett; ich glaube, daß Reszke singen wird, und das würde mir Spaß machen. Man könnte meinen, es sei ein folgenschwerer Entschluß für dich, zu Elisabeth zu gehen. Übrigens will ich dir sagen, daß du in diesem Jahr noch bei keiner von ihren großen Gesellschaften warst, und das ist angesichts eurer vertrauten Beziehungen gar nicht lieb von dir.«
Françoise war nach dem Tode ihres Mannes mit zwanzig Jahren Witwe geworden – es war vier Jahre her –, und nun war sie unzertrennlich von ihrer Geneviève und liebte es sehr, ihr eine Freude zu bereiten. Nun widerstand sie nicht länger ihrer Bitte, nahm von den Gastgebern, von den anderen Gästen Abschied, die untröstlich waren, die Gesellschaft einer der begehrtesten Frauen von Paris so wenig genossen zu haben, und
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