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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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legt, nicht seine eigenen.
Weltlichkeit
    »Warum sollen wir, da wir uns nun doch eine Stellung geschaffen haben, nicht ein Leben in der großen Welt führen?«
    Das eben war die Ansicht von Pécuchet, aber man wollte dort glänzen und mußte deshalb den Gegenstand studieren.
    Die zeitgenössische Literatur ist von höchster Bedeutung.
    Sie abonnierten einige Zeitschriften, die sich die Verbreitung der Literatur zur Aufgabe machen, und lasen sie laut vor, bemühten sich, Kritiken zu schreiben, suchten vor allem Ebenmaß und Leichtigkeit des Stils zu erreichen, in Anbetracht des gesetzten Ziels.
    Bouvard erinnerte daran, daß der Stil einer Kritik, wäre sie auch im Plaudertone geschrieben, doch nicht der richtige sei für die große Welt, und sie führten Konversationsstunden ein über ihre Lektüre, gehalten in der Art der Leute der großen Gesellschaft.
    Bouvard lehnte sich an den Kamin, bastelte mit Vorsicht an den hellen Handschuhen herum, die er eigens zu dem Zwecke angeschafft hatte, und nannte Herrn Pécuchet Madame oder General, um die Illusion zu vollenden.
    Oft blieben sie dabei; einer von ihnen hatte sich in einen Autor hineingeschwatzt, vergebens versuchte der andere ihn zu halten. Übrigens machten sie alles herunter. Leconte de Lisle war gar zu starr, Verlaine zu zart besaitet. Sie träumten von einem juste-milieu, ohne es zu entdecken.
    »Weshalb hat Pierre Loti immer nur den einen Ton?«
    »Alle seine Romane sind auf die gleiche Note gestimmt.«
    »Nur eine Saite auf der Leier«, schloß Bouvard.
    »Aber André Laurie gibt auch nicht das Rechte, jedes Jahr schleppt er uns anderswohin, und er verwechselt Literatur mit Geographie. Was taugt, ist einzig sein Stil. Was aber Henri de Régnier anlangt, so ist er ein Schwindler, oder er gehört ins Narrenhaus, keine andere Wahl.«
    »Kommst du mal da heraus, mein Alter«, sagte Bouvard, »dann ist es dir gelungen, die moderne Literatur aus einer verfluchten Sackgasse herauszuziehen.«
    »Nur keine Gewalt«, sagte Pécuchet, als milder Herrscher, »sie haben es vielleicht in sich, diese jungen Pferde! Werfen wir ihnen die Zügel über den Nacken! Zu fürchten wäre nur, daß sie, derart angeschmiert, über das Ziel hinausschießen, aber auch Extravaganz ist ein Beweis für eine reiche Natur.«
    »Unterdessen sind aber die Grenzpfähle kaputt«, schrie Pécuchet, und während er mit seinem ewigen Nein das leere Zimmer füllte, wurde er warm: »Und im übrigen können Sie wiederholen, so oft Sie wollen, daß diese ungleich langen Zeilen Verse vorstellen sollen, ich weigere mich, je etwas anderes darin zu sehen als Prosa, und bedeutungslose dazu!«
    »Mallarmé hat nicht viel Talent, aber ein brillanter Causeur ist er. Welch ein Jammer, daß ein so hochbegabter Mensch den Verstand verliert, sooft er die Feder in die Hand nimmt.« Sonderbare Krankheit, die sie nicht erklären konnten. Maeterlinck erschüttert, aber durch gar zu nüchterne Mittel, die der Bühne unwürdig sind. Seine Kunst ergreift auf die Art wie ein Kriminalfall. Schauderhaft! Außerdem ist sein Satzbau schändlich.
    Sie kritisierten nun höchst geistvoll seine Kunst in Form einer Parodie, indem sie seinen Dialog in einer Konjugation abwandelten: »Ich habe gesagt, die Frau ist eingetreten.« »Du hast gesagt, daß die Frau eingetreten ist.« »Ihr habt gesagt, daß die Frau eingetreten ist.« »Weshalb hat man gesagt, daß die Frau eingetreten ist?«
    Pécuchet wollte dieses kleine Stück der »Revue des deux mondes« einsenden, aber es war nach Bouvard klüger, es aufzuheben und in einem Salon à la mode zu verzapfen. Dann würden sie dort mit dem ersten Anhieb entsprechend ihrem Rang gewürdigt. Es einer Zeitschrift zu überlassen, dazu sei später immer noch Zeit. Und die ersten Zeugen dieser Geistestat würden es gedruckt wiedererkennen und sich geschmeichelt fühlen, daß sie es zuerst hatten genießen dürfen.
    Trotz seines Geistes schien ihnen Lemaître inkonsequent, respektlos, einerseits gar zu pedantisch, andererseits zu bürgerlich, er wandte zu oft die Palinodie an. Vor allem war sein Stil zu schlaff, als Entschuldigung kam in Betracht, daß es schwer war, zu festgesetzter Frist und so schnell nacheinander zu improvisieren. Was France betrifft, so schreibt er gut, denkt aber schlecht. Im Gegensatz zu ihm steht Bourget, der wohl Tiefe hat, aber das Geheimnis der Form nicht besitzt. Daß kein vollendetes, allseitiges Talent zu finden war, brachte sie zur Verzweiflung.
    »Und doch kann

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