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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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darum zu bitten, man möge ihn ihr vorstellen, und doch, obwohl sie ihn fast häßlich fand und wußte, er sei alles eher als intelligent, hätte sie ihn ganz gern kennengelernt. Sie kam zu Geneviève und sagte ihr:
    »Du kannst mir trotz allem Herrn von Laléande vorstellen. Ich möchte nicht unhöflich erscheinen. Aber sage nicht, daß ich darum gebeten habe. Das würde mich zu sehr verpflichten.«
    »Sofort, wenn wir ihn zu Gesicht bekommen, er ist augenblicklich nicht hier.«
    »Nun gut, suche ihn.«
    »Er ist vielleicht schon fort.«
    »Aber nein«, sagte sehr schnell Françoise, »er kann doch nicht fort sein, es ist noch früh. Ach, schon Mitternacht! Sieh mal, meine kleine Geneviève, das ist ja doch nicht schwierig. An dem Abend damals, da wolltest du. Heute bitte ich dich, es ist wichtig für mich.«
    Geneviève betrachtete sie leicht erstaunt und ging auf die Suche nach Herrn von Laléande. Er war fort.
    »Du siehst, ich hatte recht«, sagte Geneviève, als sie zu Françoise zurückkam.
    »Ich langweile mich hier zu Tode«, sagte Françoise, »ich habe Kopfschmerzen, ich bitte dich, laß uns sofort gehen.«
III
    Françoise versäumte kein einziges Mal mehr die Oper, sie nahm mit einer geheimen Hoffnung alle Einladungen zu Diners an. Vierzehn Tage vergingen so, sie hatte Herrn von Laléande nicht wiedergesehen, oft erwachte sie nachts und dachte an die Möglichkeiten, ihn wieder zu treffen. Sie mochte sich immerhin wiederholen, er sei langweilig und nicht der Schönste, sie blieb doch mehr von ihm eingenommen als von allen Menschen, wenn sie noch so geistvoll und bezaubernd waren. Die Saison näherte sich ihrem Ende, es konnte sich keine Gelegenheit mehr bieten, ihn wiederzusehen, so war sie denn entschlossen, eine solche Gelegenheit zu schaffen, und suchte nur nach einem Wege.
    Eines Abends sagte sie zu Geneviève:
    »Hast du mir nicht einmal erzählt, daß du einen Herrn von Laléande kennst?«
    »Jacques de Laléande? Ja und nein, er ist mir vorgestellt worden, hat aber nie Karten bei mir abgegeben, und ich stehe durchaus in keiner Verbindung mit ihm.«
    »Nun will ich dir sagen, ich habe ein kleines Interesse, sogar ein nicht ganz kleines, und zwar aus Gründen, die nicht mich persönlich betreffen, und man wird es mir sicher nicht erlauben, dich vor Monatsfrist in diese Einzelheiten einzuweihen« (in diesem Zeitraum wollte sie mit ihm über eine Ausrede einig werden, um sich nicht zu verraten, und es bezauberte sie dieser Gedanke, mit ihm durch ein Geheimnis verbunden zu sein), »ein Interesse, seine Bekanntschaft zu machen und mich mit ihm zu treffen. Ich bitte dich, versuche, mir einen Weg zu bahnen, denn die Saison ist zu Ende, und ich sehe sonst keine Möglichkeit, mir ihn vorstellen zu lassen.«
    Es gibt strenge Bräuche der Freundschaft, die sehr läuternd wirken, wenn sie aufrichtig eingehalten werden. Sie schützten in diesem Falle Geneviève ebenso wie Françoise vor der niedrigen Neugier, welche der Mehrzahl der Menschen ein scheußliches Vergnügen bereitet. So hatte denn Geneviève nicht einen einzigen Augenblick den Wunsch noch überhaupt einen Gedanken, ihre Freundin auszufragen. Sie machte sich mit ihrem ganzen Herzen an das Suchen, ihr einziger Schmerz war, nicht zu finden.
    »Es trifft sich so schlecht, daß Frau von A. verreist ist. Wir hätten da noch Herrn von Grumello, aber nach alledem, was soll uns das nützen, was soll man ihm sagen? Ach, ich habe eine Idee! Herr von Laléande spielt Cello, schlecht genug, aber er spielt es. Herr von Grumello bewundert ihn, und dann ist er solch ein Dummkopf und wird froh sein, dir eine Freude zu bereiten. Die einzige Schwierigkeit ist die, daß du ihn dir bis jetzt immer vom Leibe gehalten hast und daß du nicht gern Leute von dir stößt, wenn du Dienste von ihnen genossen hast, die Schwierigkeit ist die, daß du dich nicht gern dazu verpflichten wirst, ihn im nächsten Jahre einzuladen.«
    Aber schon rief Françoise rot vor Freude aus:
    »Das ist mir ja ganz gleich. Wenn es sein muß, lade ich alle zweifelhaften Existenzen von Paris ein. Ach ja, mach schnell, meine kleine Geneviève! Du bist wirklich nett!«
    Geneviève schrieb:
»Mein sehr verehrter Herr,
    Sie wissen, wie gern ich jede Gelegenheit ergreife, meiner Freundin, Françoise von Breyves, ein Vergnügen zu bereiten. Sie kennen sie sicher bereits aus der Gesellschaft. Sie hat mir des öfteren, wenn wir von Violoncello sprachen, ihr Bedauern ausgedrückt, nie Herrn von Laléande

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