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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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daß in uns die guten Vorsätze, die reinen Engel, gemartert werden und weinen.
    Bald mußten meine Onkel ihr Kartenspiel beendet haben und zurückkommen. Wir konnten ihnen entgegengehen, ich würde nicht mehr sündigen, es war das letztemal … Plötzlich sah ich mich über dem Kamin im Spiegel. Von der unbestimmten Angst meiner Seele war auf meinem Gesicht nichts zu sehen; aber es strahlte, angefangen von den leuchtenden Augen bis herab zu den brennenden Wangen und dem dargebotenen Mund, es strahlte förmlich in einer sinnlichen, stumpfsinnigen und brutalen Lust. Sofort dachte ich, wie müßte sich irgend jemand entsetzen, der mich gesehen hätte, wie ich meine Mutter vorhin mit melancholischer Zärtlichkeit geküßt hatte, und mich jetzt so zum Tier verwandelt sah. Doch im Spiegel preßte sich gierig unter seinem Schnurrbart der Mund Jacques’ an meine Wange. Bis ins Tiefste verwirrt näherte ich meinen Kopf dem seinen, als vor mir, ja, ich kann sagen, wie es war, hört mich, denn ich weiß es, vor mir auf dem Balkon sehe ich meine Mutter, die mich entgeistert anstarrt. Ich weiß nicht, ob sie geschrien hat, ich habe nichts gehört, aber sie ist hinterübergefallen und ist mit dem Kopf zwischen zwei Stangen eingeklemmt liegengeblieben…
    Was jetzt kommt, erzähle ich euch nicht zum letzten Male, auch habe ich es schon gesagt: fast hätte ich mich gefehlt, ich hatte gut gezielt, aber schlecht geschossen. Doch man hat die Kugel nicht extrahieren können, und Komplikationen von seiten des Herzens haben begonnen. Aber nun kann ich womöglich noch acht Tage leben, und bis dahin werde ich nicht aufhören, über den Anfang nachzugrübeln und das Ende zu schauen.
    Lieber wäre es mir sogar gewesen, wenn mich meine Mutter auch bei der Verübung der anderen Verbrechen gesehen hätte, ja und sogar auch noch bei diesem – nur hätte sie den Ausdruck von Freude nicht sehen sollen, den mein Gesicht im Spiegel hatte. Nein, sie hat ihn nicht sehen können … es ist ein zufälliges Zusammentreffen … der Schlaganfall hat sie getroffen, eine Minute, bevor sie mich sah… Sie hat es nicht gesehen … Es kann nicht sein! Gott, der ja alles wußte, kann das nicht gewollt haben.

Das große Diner
I
»Aber mein lieber Fundanius, Wer hat mit dir die Freude dieser Mahlzeit geteilt? Ich möchte es zu gerne wissen.«
     
Horaz
     
    Honoré kam zu spät, er sagte dem Hausherrn guten Tag, ebenso den Gästen, die er bereits kannte, wurde den anderen vorgestellt, und man begab sich zu Tisch. Nach einigen Minuten bat ihn sein Nachbar, ein sehr junger Mensch, ihm die Gäste zu nennen und deren Geschichte zu erzählen. Honoré hatte ihn noch nie in Gesellschaft getroffen. Er war sehr schön. Die Hausfrau warf unaufhörlich glühende Blicke auf ihn, die den Grund andeuteten, warum er eingeladen war und die versprachen, daß er bald zu ihrem engsten Kreise gehören würde. Honoré ahnte in ihm die künftige Macht, aber er neidete sie ihm nicht, und er machte sich mit wohlwollender Höflichkeit daran, seine Bitte zu erfüllen. Er blickte um sich. Ihm gegenüber saßen zwei Tischnachbarn, die nicht miteinander sprachen. Man hatte sie, in guter Absicht, aber ungeschickt genug, gemeinsam eingeladen und nebeneinandergesetzt, weil beide sich mit Literatur beschäftigten. War schon dies ein Grund, sich zu hassen, so kam noch ein zweiter, besonderer hinzu: Der ältere war (eine Hypnose von zwei Seiten) verwandt mit Paul Desjardins und mit M. de Vogüé, nun affektierte er ein tadelndes Schweigen gegen den jüngeren, der ein Lieblingsschüler von Maurice Barrès war und der ihn seinerseits mit Ironie behandelte. Der Widerwille des einen steigerte unfreiwillig die Bedeutung des anderen und umgekehrt, genau als habe man den König der Verbrecher dem Kaiser der Trottel gegenübergesetzt.
    Weiter entfernt schlang voll Wut eine prachtvolle Spanierin die Speisen hinab. Als vernünftige Person hatte sie ohne Zögern für diesen Abend ein Rendezvous geopfert, in der sicheren Erwartung, durch ihre Anwesenheit bei diesem Diner in ihrer mondänen Karriere einen Schritt vorwärts zu tun. Und sie konnte mit Wahrscheinlichkeit darauf rechnen. Der Snobismus der Frau Fremer bedeutete für ihre Freundinnen ebenso wie der Snobismus der Freundinnen für diese Dame eine auf Gegenseitigkeit ausgestellte Rückversicherung gegen die Gefahr, im bürgerlichen Sumpfe zu versinken. Aber der Zufall wollte es, daß gerade an diesem Abend Frau Fremer eine Anzahl Menschen

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