Tage in Burma
Verrall sich gelassen wieder seiner Zeitung zuwandte und die Existenz von Ellis ganz einfach
vergaß, war zum Wahnsinnigwerden. Sollte er diesem jungen
Trottel nicht einen guten, ermunternden Tritt versetzen?
Aber irgendwie kam es nicht zu diesem Tritt. Verrall hatte in seinem Leben viele Tritte verdient, aber noch nie einen
bekommen und würde es wohl auch nicht. Ellis verdrückte sich hilflos ins Spielzimmer, um seine Gefühle an dem Butler
auszulassen, und überließ Verrall den Salon.
Als Mr. Macgregor durch das Clubtor kam, hörte er Musik.
Gelbes Laternenlicht schimmerte durch die Schlingpflanzen, die das Gitter des Tennisplatzes berankten. Mr. Macgregor war
heute abend in glücklicher Stimmung. Er hatte sich ein gutes, langes Gespräch mit Miss Lackersteen vorgenommen - ein
außerordentlich gescheites Mädchen war das! -, und er hatte ihr eine höchst interessante Anekdote zu erzählen (sie hatte zwar bereits in einem seiner kleinen Artikel in Blackwood’s das Licht der Öffentlichkeit erblickt) von einem Überfall 1913 in Sagaing.
Sie würde begeistert sein, das wußte er. Er bog erwartungsvoll um das Tennisgitter. Auf dem Tennisplatz, im gemischten Licht des abnehmenden Mondes und der zwischen den Bäumen
aufgehängten Laternen, tanzten Verrall und Elizabeth. Die
Chokras hatten Stühle und einen Tisch für das Grammophon herausgebracht, und drum herum saßen oder standen die anderen
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Europäer. Als Mr. Macgregor an der Ecke des Tennisplatzes stehenblieb, glitten Verrall und Elizabeth kaum einen Meter entfernt an ihm vorbei. Sie tanzten sehr eng aneinander, ihr Körper unter seinem rückwärts gebeugt. Keiner bemerkte Mr.
Macgregor.
Mr. Macgregor ging um den Tennisplatz herum. Ein frostiges, trostloses Gefühl hatte von seinem Innern Besitz ergriffen.
Adieu also seinem Gespräch mit Miss Lackersteen. Es war eine Anstrengung, sein Gesicht in die üblichen spaßiggutgelaunten Falten zu legen, als er an den Tisch trat.
»Ein musischer Abend!« bemerkte er in einem Ton, der wider Willen neidvoll klang.
Niemand antwortete. Alle beobachteten das Paar auf dem
Tennisplatz. Völlig die anderen vergessend, glitten Elizabeth und Verrall herum und herum, leichtfüßig über den glatten
Boden.
Verrall tanzte so wie er ritt: mit unvergleichlicher Anmut. Das Grammophon spielte »Zeig mir den Weg nach Hause«, einen
Schlager, der damals wie eine Seuche um die ganze Welt ging und sogar bis nach Burma gelangt war:
Bringt mich endlich mal nach Haus, Ich bin müd, und legt
mich hin! Da hab ich nur ein Glas gekippt, Mir schwindet schon der Sinn, usw.
Der trübselige, deprimierende Schund schwebte zwischen den schattigen Bäumen und den Duftwolken der Blumen, immer
wieder und wieder, denn Mrs. Lackersteen setzte die
Grammophonnadel immer wieder an den Anfang, wenn sie sich
dem Mittelpunkt näherte. Der Mond stieg höher, sehr gelb, und wie er aus dem Dunst der dunklen Wolken am Horizont
aufstieg, sah er aus wie eine kranke Frau, die aus dem Bett kriecht. Verrall und Elizabeth tanzten unermüdlich weiter, eine bleiche, sinnliche Form in der Dämmerung. Sie bewegten sich in vollkommener Übereinstimmung wie ein einziges Tier. Mr.
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Macgregor, Ellis, Westfield und Mr. Lackersteen standen, die Hände in den Taschen, da und sahen ihnen zu und wußten nichts zu sagen. Die Moskitos bissen sie in die Fußknöchel. Jemand rief nach Drinks, aber der Whisky war wie Asche in ihren
Mündern. Die vier älteren Männer spürten zehrenden, bitteren Neid im Bauch.
Verrall forderte Mrs. Lackersteen nicht zu einem Tanz auf und nahm auch, als er und Elizabeth sich schließlich hinsetzten, keinerlei Notiz von den anderen Europäern. Er belegte Elizabeth für eine weitere halbe Stunde mit Beschlag und verließ dann den Club mit einem kurzen Gutenacht für die Lackersteens und
keinem Wort für die anderen. Nach dem langen Tanz mit Verrall war Elizabeth in einer Art Traum. Er hatte sie gebeten, mit ihm auszureiten! Er würde ihr eines von seinen Ponies leihen! Sie bemerkte überhaupt nicht, daß Ellis, über ihr Benehmen
aufgebracht, sein Bestes tat, um unverhohlen unhöflich zu sein.
Es war spät, als die Lackersteens nach Hause kamen, aber
Elizabeth und ihre Tante dachten noch nicht an Schlaf. Sie arbeiteten fieberhaft bis Mitternacht daran, Mrs. Lackersteens Reithosen zu kürzen und an den Waden auszulassen, damit sie Elizabeth paßten.
»Hoffentlich, mein Liebes, kannst du überhaupt reiten?« sagte
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