Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
Rikscha und rief aufgeregt durch den Regen.
    »Herr Stationsvorsteher!«
    »Madam!«
    »Welcher Zug ist das?«
    »Der Zug nach Mandalay, Madam.«
    »Der Zug nach Mandalay! Das kann nicht sein!«
    »Aber ich versichere Ihnen, Madam! Genau der Zug ist es.«
    Er kam auf sie zu und nahm seinen Topi ab.
    »Aber Mr. Verrall - der Polizeibeamte? Er ist doch bestimmt nicht in dem Zug?«
    »Doch, Madam, er is t abgereist.« Er winkte in Richtung des Zuges, der jetzt rasch in einer Wolke von Regen und Dampf
    entschwand.
    »Aber der Zug sollte doch noch gar nicht abfahren!«
    »Nein, Madam. Erst in zehn Minuten.«
    »Warum ist er dann weg?«
    Der Stationsvorsteher schwenkte seinen Topi entschuldigend hin und her. Sein dunkles, plumpes Gesicht sah ziemlich
    bekümmert aus.
    -310-
    »Ich weiß, Madam, ich weiß! Äußerst unerhört! Aber der junge Herr Militärpolizist hat mir ausdrücklich befohlen, den Zug abfahren zu lassen! Er verkündet, daß alles fertig ist, und er wünscht nicht, warten gelassen zu werden. Ich weise auf die Vorschriftswidrigkeit hin. Er sagt, Vorschriftswidrigkeit
    kümmert ihn nicht. Ich protestiere. Er insistiert. Und kurz -«
    Er machte noch eine Gebärde, daß Verrall der Typ Mann war, der seinen Willen durchsetzte, auch wenn es darum ging, einen Zug zehn Minuten zu früh abfahren zu lassen. Es entstand eine Pause. Die beiden Inder, die jetzt ihre Gelegenheit sahen, stürzten plötzlich nach vorn, jammernd, und boten Mrs.
    Lackersteen einige schmierige Notizbücher zur Überprüfung an.
    »Was wollen denn diese Männer?« schrie Mrs. Lackersteen
    außer sich.
    »Es sind Gras-Wallahs, Madam. Sie sagen, daß Leutnant Verrall abgereist ist, ohne ihnen die großen Geldsummen
    bezahlt zu haben, die er ihnen schuldet. Dem einen für Heu, dem anderen für Getreide. Mich geht das nichts an.«
    Aus der Ferne kam das Tuten des Zuges. Er wälzte sich um
    die Kurve, wie eine Raupe mit schwarzem Hintern, die beim
    Kriechen über die Schultern blickt, und verschwand. Die nassen weißen Hosen des Stationsvorstehers klatschten ihm
    hoffnungslos um die Beine. Ob Verrall den Zug hatte zu früh abfahren lassen, um Elizabeth oder um den Gras- Wallahs zu entkommen, war eine interessante Frage, die nie geklärt wurde.
    Sie begaben sich zurück zur Straße und kämpften sich dann in einem solchen Wind den Hügel hinauf, daß sie manchmal
    mehrere Schritte rückwärts getrieben wurden. Als sie die
    Veranda erreichten, waren sie ganz außer Atem. Die
    Dienstboten nahmen ihre triefenden Regenmäntel, und Elizabeth schüttelte einen Teil des Wassers von ihrem Haar. Mrs.
    Lackersteen unterbrach zum ersten Mal ihr Schweigen:
    »Also: Eine solche Ungezogenheit - eine einfach abscheuliche
    -311-
    ...!«
    Elizabeth sah blaß und kränklich aus, trotz des Regens und des Windes, die ihr ins Gesicht peitschten. Aber sie würde nichts verraten.
    »Ich finde, er hätte uns auf Wiedersehen sagen können«,
    meinte sie kühl.
    »Auf mein Wort, meine Liebe, den bist du gründlich los! ...
    Wie ich von Anfang an sagte, ein äußerst ekelhafter junger Mann!«
    Etwas später, als sie sich zum Frühstück setzten, nachdem sie gebadet und trockene Kleider angezogen hatten und sich besser fühlten, bemerkte sie:
    »Warte mal, was ist heute für ein Tag?«
    »Samstag, Tante.«
    »Ah, Samstag. Dann wird der liebe Padre heute abend
    eintreffen. Wie viele werden wir denn morgen am Gottesdienst sein? Ja, ich glaube wir werden alle da sein! Wie schön! Mr.
    Flory wird auch hier sein. Ich glaube er sagte, daß er morgen aus dem Dschungel zurückkehrt.« Sie fügte beinahe liebevoll hinzu:
    » Lieber Mr. Flory!«
    XXIV
    Es war fast sechs Uhr abends, und die alberne Glocke im
    sechs Fuß hohen Zinnturm der Kirche machte klirrklirr,
    klirrklirr!, während der alte Mattu drinnen am Seil zog. Die Strahlen der untergehenden Sonne, gebrochen durch ferne
    Regenfälle, überfluteten den Platz mit einem wunderbaren,
    düsterroten Licht. Es hatte früher am Tag geregnet und würde wieder regnen. Die christliche Gemeinde von Kyauktada,
    fünfzehn an der Zahl, versammelte sich bei der Kirchentür für den Abendgottesdienst. Flory war schon da, und Mr. Macgregor, mit grauem Topi und allem, und Mr. Francis und Mr. Samuel, in frischgewaschenen Drillichanzügen herumhüpfend - denn der
    -312-
    Gottesdienst, der alle sechs Wochen stattfand, war das große gesellschaftliche Ereignis ihres Lebens. Der Padre, ein
    hochgewachsener Mann mit grauem Haar und einem
    vornehmen,

Weitere Kostenlose Bücher