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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Lachen.
    Mrs. Lackersteen gab ein unverständliches Geräusch von sich
    - es wurde vor Enttäuschung aus ihr herausgeschleudert. Der junge Mann begrüßte sie jedoch gleich mit Jovialität, da er zu
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    denen gehörte, die vom Augenblick der ersten Begegnung an
    mit jedermann auf vertraulichem Fuße stehen.
    »Hallo, hallo!« sagte er. »Herein tritt der Märchenprinz.
    Hoffentlich störe ich nicht? Ich platze doch nicht etwa mitten in eine Familienzusammenkunft oder so was?«
    »Keineswegs!« erwiderte Mrs. Lackersteen überrascht.
    »Was ich sagen wollte - dachte, ich könnte mal schnell im Club reinschauen und mich umsehen, nicht wahr. Nur um mich an die örtliche Whiskymarke zu akklimatisieren. Ich bin erst gestern abend hier angekommen.«
    »Sind Sie hier stationiert?« fragte Mrs. Lackersteen, verwirrt, denn man hatte keine Neuankömmlinge erwartet.
    »Allerdings. Ist mir ein Vergnügen.«
    »Aber wir hatten nicht gehört ... Oh, natürlich! Ich nehme an, Sie sind von der Forstabteilung? Anstelle vom armen Mr.
    Maxwell?«
    »Was? Forstabteilung? Keine Bange! Ich bin der neue
    Bursche von der Militärpolizei, müssen Sie wissen.«
    »Der was?«
    »Neue Bursche von der Militärpolizei. Übernehme die Stelle vom lieben ollen Verrall. Der liebe alte Knabe hat Anweisungen erhalten, zu seinem Regiment zurückzukehren. Zieht in
    schrecklicher Eile ab. Und er hat auch alles in schöner
    Unordnung zurückgelassen.«
    Der Militärpolizist war zwar ein klotziger junger Mann, aber sogar er bemerkte, daß Elizabeths Gesicht plötzlich blaß wurde.
    Sie sah sich völlig außerstande, etwas herauszubringen. Mehrere Sekunden verstrichen, bevor es Mrs. Lackersteen fertigbrachte, auszurufen:
    »Mr. Verrall - geht? Aber sicherlich doch nicht jetzt schon?«
    »Geht? Er ist schon gegangen!«
    »Gegangen?«
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    »Na ja, ich meine - der Zug fährt ungefähr in einer halben Stunde ab. Er wird wohl jetzt am Bahnhof sein. Ich habe ihm ein Arbeitskommando zur Unterstützung geschickt. Muß seine
    Ponies in den Zug schaffen und so weiter.«
    Wahrscheinlich gab er noch weitere Erklärungen ab, aber
    weder Elizabeth noch ihre Tante hörten ein Wort davon. Auf jeden Fall waren sie, ohne ein Wort des Abschieds an den
    Militärpolizisten, innerhalb von fünfzehn Sekunden draußen auf der Eingangstreppe. Mrs. Lackersteen rief mit durchdringender Stimme nach dem Butler.
    »Butler! Schicken Sie meine Rikscha sofort nach vorne! Zum Bahnhof, Jaldi!« fügte sie hinzu, als der Rikscha-Mann erschien, und stieß ihn, nachdem sie sich in der Rikscha
    niedergelassen hatte, mit der Zwinge ihres Regenschirms in den Rücken zwecks größerer Eile.
    Elizabeth hatte ihren Regenmantel angezogen und Mrs.
    Lackersteen verkroch sich in der Rikscha hinter ihrem
    Regenschirm, aber das alles nützte gegen den Regen nicht viel.
    Er kam in solchen Strömen gegen sie angebraust, daß Elizabeths Kleid durchnäßt war, bevor sie das Tor erreicht hatten, und die Rikscha im Wind fast umkippte. Der Rikscha- wallah senkte den Kopf und mühte sich stöhnend ab. Elizabeth erlitt Höllenqualen.
    Es war ein Irrtum, es mußte ein Irrtum sein. Er hatte ihr
    geschrieben, und der Brief war verlorengegangen. Das war es, daß mußte es sein! Es durfte nicht sein, daß er sie hatte verlassen wollen, ohne sich auch nur zu verabschieden! Und wenn es so wäre - nein, nicht einmal dann würde sie die Hoffnung
    aufgeben! Wenn er sie, zum letzten Male, auf dem Bahnsteig sah, konnte er nicht so brutal sein, sie im Stich zu lassen! Als sie sich dem Bahnhof näherten, blieb sie hinter der Rikscha zurück und kniff sich in die Wangen, um sie zu durchbluten. Eine
    Gruppe von Sepoys der Militärpolizei, ihre dünne Uniformen zu Lumpen aufgeweicht, schlurfte hastig vorbei und zog
    gemeinsam einen Handkarren. Das mußte Verralls
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    Arbeitskommando sein. Gott sei Dank war noch eine
    Viertelstunde Zeit. Der Zug sollte in einer Viertelstunde
    abfahren. Gott sei Dank, zumindest für diese letzte Gelegenheit!
    Sie kamen gerade rechtzeitig an, um den Zug aus dem
    Bahnhof abdampfen und sich mit einem betäubenden Schnauben beschleunigen zu sehen. Der Stationsvorsteher, ein kleiner rundlicher, schwarzer Mann, stand auf dem Gleis mit
    wehmütigem Blick auf den Zug und hielt seinen wasserdichten Topi mit einer Hand auf seinen Kopf, während er mit der
    anderen zwei tobende Inder abwehrte, die nach ihm schnappten und seine Aufmerksamkeit zu erzwingen suchten. Mrs.
    Lackersteen beugte sich aus der

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