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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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aufgestanden, und Mrs. Lackersteen sank erschöpft in den besten Sessel unter dem Punkah und fächelte sich mit einer schlanken Hand, schlaff wie die Pfote eines Molches.
    »Ach Gott, diese Hitze, diese Hitze! Mr. Macgregor hat mich mit seinem Wagen abgeholt. So nett von ihm. Tom, dieser Tropf von einem Rikscha-Mann ist angeblich wieder krank. Wirklich,
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    ich glaube, du solltest ihn mal tüchtig durchpeitschen, damit er wieder zu Verstand kommt. Es ist zu schrecklich, jeden Tag in dieser Sonne herumzulaufen.«
    Mrs. Lackersteen, die dem Fünfzigmeterweg zwischen ihrem
    Haus und dem Club nicht gewachsen war, hatte aus Rangun eine Rikscha importiert. Außer Ochsenkarren und Mr. Macgregors
    Wagen war sie das einzige mit Rädern versehene Fahrzeug in Kyauktada, denn in dem ganzen Distrikt gab es keine zehn
    Meilen Straße. Im Dschungel erduldete sie, um ihren Gatten nicht allein zu lassen, alle Schrecken wie lecke Zelte, Moskitos und Büchsennahrung; aber sie glich es aus, indem sie sich über jede Kleinigkeit beklagte.
    »Wirklich, ich finde die Faulheit dieser Dienstboten
    allmählich unerhört«, seufzte sie. »Finden Sie nicht auch, Mr.
    Macgregor? Wir scheinen heutzutage keine Autorität mehr bei den Eingeborenen zu haben, mit all diesen schrecklichen
    Reformen und der Unverschämtheit, die sie von den Zeitungen lernen. In gewisser Weise werden sie fast so schlimm wie die unteren Klassen zu Hause.«
    »Oh, doch nicht ganz so schlimm, meine ich. Trotzdem
    fürchte ich, daß der Geist der Demokratie sich zweifellos sogar hier einschleicht.«
    »Und noch vor so kurzer Zeit, sogar kurz vor dem Krieg,
    waren sie so nett und respektvoll! Wie sie einen mit einem Selam grüßten, wenn man auf der Straße an ihnen vorbeikam -
    das war wirklich ganz reizend. Ich weiß noch, daß wir unserem Butler monatlich nur zwölf Rupien bezahlten, und dieser Mann liebte uns wirklich wie ein Hund. Und jetzt verlangen sie vierzig bis fünfzig Rupien, und meiner Ansicht nach ist die einzige Möglichkeit, wie ich einen Dienstboten behalten kann, die, ihnen den Lohn mehrere Monate im nachhinein zu geben.«
    »Der alte Typ des Dienstboten verschwindet«, gab Mr.
    Macgregor zu. »In meiner Jugend schickte man einen Butler, der
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    respektlos war, ins Gefängnis mit einem Zettel, auf dem stand
    ›Bitte dem Überbringer fünfzehn Hiebe geben‹. Nun ja, tempi passati! Diese Zeiten sind für immer vorbei, fürchte ich.«
    »Ja, da haben Sie wohl recht«, sagte Westfield in seinem
    düsteren Ton. »Dieses Land wird nie wieder so, daß man dann leben kann. Mit der britischen Herrschaft in Indien ist es zu Ende, wenn Sie mich fragen. Das Dominion und das alles ist verloren. Zeit, daß wir abhauen.«
    Worauf sich ein allgemeines Murmeln der Zustimmung
    erhob, sogar von Flory, der für seine bolschewistischen
    Ansichten bekannt war, sogar von dem jungen Maxwell, der
    kaum drei Jahre im Lande war. Kein Anglo-Inder wird je
    bestreiten oder hat je bestritten, daß Indien vor die Hunde geht -
    denn Indien war, wie der Punch, nie mehr das, was es einmal gewesen war.
    Ellis hatte inzwischen die anstößige Bekanntmachung hinter Mr. Macgregors Rücken abgemacht und hielt sie ihm nun hin, wobei er in seiner mürrischen Art sagte:
    »Hier, Macgregor, wir haben diesen Anschlag gelesen, und
    wir alle halten die Idee, einen Eingeborenen in den Club zu wählen, für absoluten -« Ellis hatte sagen wollen ›absoluten Quatsch‹, aber ihm fiel Mrs. Lackersteens Anwesenheit ein, und er verbesserte sich - »für absolut unerwünscht. Schließlich ist der Club dazu da, daß wir uns hier wohl fühlen, und wir wollen nicht, daß Eingeborene hier rumschnüffeln. Der Gedanke gefällt uns, daß es noch einen Ort gibt, wo wir frei von ihnen sind. Die anderen sind alle genau derselben Meinung wie ich.«
    Er sah sich unter den anderen um. »Hört, hört!« sagte Mr.
    Lackersteen barsch. Er wußte, daß seine Frau erraten würde, daß er getrunken hatte, und hoffte, daß eine Bekundung von
    gesundem Menschenverstand ihn entschuldigen würde.
    Mr. Macgregor nahm die Bekanntmachung mit einem
    Lächeln entgegen. Er sah das hinter seinen Namen geschriebene
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    ›V. I.‹ und fand insgeheim Ellis’ Art sehr respektlos, aber er stellte die ganze Sache durch einen Scherz ab. Er gab sich ebenso große Mühe, im Club ein guter Kumpel zu sein, wie er sich bemühte, in den Bürostunden seine Würde zu wahren.
    »Wenn ich recht verstehe«, sagte er, »wäre unserem

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