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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Westfield ein immer
    wiederkehrendes Thema. Seiner Ansicht nach konnte nichts als eine waschechte Rebellion und die daraus folgende Verhängung des Kriegsrechts das Empire vor dem Zerfall retten. »Dieser ganze Papierkrieg und Bürokratismus. Die Büro-Babus sind
    jetzt die eigentlichen Regenten dieses Landes. Unsere Stunde hat geschlagen. Das Beste, was wir tun können, ist, den Laden dichtzumachen und sie in ihrem eigenen Saft schmoren zu
    lassen.«
    »Da bin ich nicht einverstanden, bin ich einfach nicht
    einverstanden«, sagte Ellis. »Wir könnten die Sache in einem Monat in Ordnung bringen, wenn wir wollten. Man braucht nur für einen Penny Schneid. Seht euch Amritsar an. Seht, wie sie danach klein beigegeben haben. Dyer wußte, wie man’s ihnen zeigt. Armer alter Dyer! Es war ein schmutziges Geschäft. Diese Feiglinge in England haben das zu verantworten.«
    Die anderen ließen eine Art Seufzer hören, den gleichen
    Seufzer, den eine Versammlung von Römischen Katholiken bei
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    der Erwähnung Marias der Blutigen ausstößt. Sogar Mr.
    Macgregor, der Blutvergießen und Kriegsrecht verabscheute, schüttelte bei der Erwähnung von Dyer den Kopf.
    »Ach, der arme Mann! Ein Opfer der Sonntagsabgeordneten.
    Na ja, vielleicht werden sie ihren Fehler entdecken, wenn es zu spät ist.«
    »Mein alter Gouverneur erzählte davon eine Geschichte«,
    sagte Westfield. »Da war ein alter Havildar in einem Eingeborenenregiment - jemand fragte ihn, was passieren
    würde, wenn die Briten aus Indien rausgingen. Der alte Bursche sagte -«
    Flory stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. Es durfte nicht, es konnte nicht - nein, es sollte einfach nicht so weitergehen! Er mußte schnell hier hinaus, bevor in seinem Kopf etwas passierte und er anfing, die Möbel zu zerschlagen und Flaschen nach den Bildern zu werfen. Diese stumpfsinnigen versoffenen, geistlosen Mastschweine! War es möglich, daß sie Woche für Woche, Jahr für Jahr so weitermachten, Wort für Wort dasselbe bösartige dumme Zeug wiederholten, wie eine Parodie auf einen
    fünftklassigen Bericht in Blackwood’s Magazine? Würde keiner von ihnen je daran denken, etwas Neues zu sagen? Ach, was für ein Ort, was für Leute! Was ist das für eine Zivilisation, diese unsere gottlose Zivilisation, die sich auf Whisky, Blackwood’s und den ›Bonzo‹-Bildern gründet! Gott sei uns gnädig, denn wir alle gehören dazu.
    Flory sagte nichts von alledem, und es kostete ihn einige
    Mühe, es nicht auf seinem Gesicht zu zeigen. Er stand neben seinem Stuhl, ein bißchen seitwärts von den anderen, mit dem halben Lächeln eines Menschen, der sich seiner Beliebtheit nie ganz sicher ist.
    »Ich fürchte, ich muß gehen«, sagte er »Ich muß leider vor dem Frühstück noch einiges erledigen.«
    »Bleib und trink noch einen, alter Junge«, sagte Westfield.
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    »Es ist noch früh am Morgen. Trink einen Gin. Das macht
    Appetit.«
    »Nein, danke, ich muß gehen. Komm, Flo. Wiedersehn, Mrs.
    Lackersteen. Wiedersehn allerseits.«
    »Booker Washington, der Niggerkumpel, ab«, sagte Ellis, als Flory gegangen war. Man konnte sich darauf verlassen, daß Ellis einem Hinausgehenden etwas Unangenehmes nachsagte. »Geht
    vermutlich zu Schwammischlammi. Oder hat sich abgesetzt,
    damit er nicht eine Runde ausgeben muß.«
    »Oh, er ist kein schlechter Kerl«, sagte Westfield. »Führt manchmal Bolschewikenreden. Ich glaube, er meint es nur halb so schlimm.«
    »O ja, ein sehr guter Kerl, natürlich«, sagte Mr. Macgregor.
    Jeder Europäer in Indien ist ex officio, oder vielmehr ex colore, ein guter Kerl, solange er nicht etwas ganz Unerhörtes getan hat.
    Es ist ein Ehrenrang.
    »Er ist ein bißchen zu sehr Bolschewik für meinen
    Geschmack. Ich kann einen Mann, der sich mit den
    Eingeborenen gemein macht, nicht ausstehen. Sollte mich nicht wundern, wenn er nicht selber einen Teerspritzer abbekommen hätte. Das würde das schwarze Mal in seinem Gesicht erklären.
    Buntscheckig. Und er sieht wie ein Gelbbauch aus mit diesem schwarzen Haar und der zitronenfarbigen Haut.«
    Es wurde flüchtig über Flory geklatscht, aber nicht lange, weil Mr. Macgregor Klatsch nicht leiden konnte. Die Europäer
    blieben noch für eine Runde Drinks im Club. Mr. Macgregor
    erzählte seine Anekdote über Prome, die er in fast jedem
    Zusammenhang anbringen konnte. Und dann wandte sich das
    Gespräch wieder dem alten, nie seinen Reiz verlierenden Thema zu - der Unverschämtheit der Eingeborenen, der

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