Tage in Burma
schnuppern, und auch eine Schar von dickbäuchigen nackten
Kindern, das Haar auf dem Kopf zu einem Knoten
zusammengebunden, erschien neugierig und glotzte den weißen Mann an, aber aus sicherer Entfernung. Der Dorfälteste, ein verschrumpelter, laubbrauner alter Mann, kam aus seinem Haus, und man machte Shikos. Flory setzte sich auf die Stufen des Hauses des Dorfältesten und zündete seine Pfeife wieder an. Er war durstig.
»Ist das Wasser in deinem Brunnen trinkbar, Thugyimin?«
Der Älteste überlegte und kratzte sich die linke Wade mit dem Nagel des rechten großen Zehs. »Die es trinken, trinken es, Thakin. Und die es nicht trinken, trinken es nicht.«
»Aha. Das ist Weisheit.«
Die dicke Frau, die den Pariahund gejagt hatte, brachte eine geschwärzte irdene Teekanne und eine henkellose Schale und schenkte Flory hellgrünen Tee ein, der nach Holzrauch
schmeckte.
»Ich muß gehen, Thugyimin. Danke für den Tee.«
»Gott sei mit Euch, Thakin.«
Flory ging auf einem Weg, der hinaus zu dem Platz führte,
nach Hause. Es war nun dunkel. Ko S’la hatte einen sauberen Ingyi angezogen und wartete im Schlafzimmer. Er hatte zwei
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Kerosindosen Badewasser heiß gemacht, die Petroleumlampen
angezündet und einen sauberen Anzug und ein frisches Hemd
für Flory bereitgelegt. Die sauberen Sachen waren ein Wink, daß Flory sich rasieren, anziehen und nach dem Essen in den Club gehen sollte. Hin und wieder verbrachte er den Abend in Shan-Hosen, saß faul mit einem Buch in einem Stuhl, und Ko S’la mißbilligte diese Gewohnheit. Er haßte es, wenn sein Herr sich anders benahm als andere weiße Männer. Daß Flory oft
betrunken aus dem Club kam, während er nüchtern blieb, wenn er den Abend zu Hause verbrachte, beeinflußte Ko S’las
Meinung nicht, denn sich zu betrinken war für einen weißen Mann normal und verzeihlich.
»Die Frau ist zum Basar runtergegangen«, verkündete er,
erfreut wie immer, wenn Ma Hla May aus dem Haus war. »Ba
Pe ist mit einer Laterne mitgegangen, um sie zu führen, wenn sie zurückkommt. «
»Gut«, sagte Flory.
Sie war gegangen, um ihre fünf Rupien auszugeben -
zweifellos um sie zu verspielen.
»Das Badewasser für den Heiligen ist bereit.«
»Warte, wir müssen erst für den Hund sorgen. Bring den
Kamm«, sagte Flory.
Die beiden Männer hockten sich zusammen hin, um Flos
seidiges Fell zu kämmen und zwischen ihren Zehen nach
Zecken zu suchen. Das mußte jeden Abend geschehen. Sie zog sich im Lauf des Tages sehr viele Zecken zu, scheußlich graue Biester, die klein wie Stecknadelköpfe waren, wenn sie sich ansetzten, und sich vollsogen, bis sie erbsengroß waren. Jede Zecke, die er abgenommen hatte, legte Ko S’la auf den
Fußboden und zertrat sie mit seiner großen Zehe.
Dann rasierte sich Flory, badete und zog sich an und setzte sich zu Tisch. Ko S’la stand hinter seinem Stuhl, reichte ihm die Schüsseln und fächelte ihn mit dem Strohfächer. Er hatte in die
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Mitte des kleinen Tisches eine Schale mit scharlachroten
Hibiskusblüten gestellt. Die Mahlzeit war protzig und
abscheulich. Die klugen ›Mug‹-Köche, Nachkommen der vor
Jahrhunderten von den Franzosen gedrillten Dienstboten,
können alles mit dem Essen anstellen, nur nicht es genießbar machen. Dann ging Flory in den Club, um Bridge zu spielen und sich dreiviertel zu betrinken wie an den meisten Abenden, wenn er in Kyauktada war.
V
Trotz des Whiskys, den er im Club getrunken hatte, schlief Flory in dieser Nacht wenig. Die Pariahunde bellten den Mond an, er war erst ein Viertel zu sehen und gegen Mitternacht schon fast untergegangen, aber die Hunde schliefen bei der Hitze den ganzen Tag und hatten ihren Mondchor schon begonnen. Ein
Hund hatte eine Antipathie gegen Florys Haus und hatte sich hingesetzt, um es systematisch anzubellen. Er saß fünfzig Meter vom Tor entfernt auf seinem Hintern und kläffte scharf und böse, alle halbe Minute einmal, regelmäßig wie eine Uhr. Das setzte er zwei bis drei Stunden lang fort, bis die Hähne zu krähen begannen.
Flory wälzte sich von einer Seite auf die andere, der Kopf tat ihm weh. Irgendein Narr hat gesagt, ein Tier könne man nicht hassen; der sollte ein paar Nächte in Indien ausprobieren, wenn die Hunde den Mond anbellen. Schließlich konnte Flory es nicht mehr aushaken. Er stand auf, kramte in der blechernen
Uniformkiste unter seinem Bett, fand ein Gewehr und ein paar Patronen und ging hinaus auf die Veranda.
Der Viertelmond machte es
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