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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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ziemlich hell. Er konnte den
    Hund sehen und ihn anvisieren. Er stützte sich auf den
    Holzpfeiler der Veranda und zielte sorgfältig; als er dann den harten Vulkanitkolben an seiner nackten Schulter spürte, zuckte er zurück. Das Gewehr hatte einen schweren Rückstoß und
    hinterließ einen blauen Fleck, wenn man es abschoß. Das
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    weiche Fleisch seiner Schulter zitterte. Er ließ das Gewehr sinken. Er hatte nicht die Nerven, kaltblütig zu feuern.
    Es hatte keinen Zweck, es mit dem Schlafen zu versuchen.
    Flory holte sein Jackett und Zigaretten und begann zwischen den geisterhaften Blumen den Gartenweg auf- und abzuschlendern.
    Es war heiß, und die Moskitos fanden ihn und surrten hinter ihm her. Schatten von Hunden jagten sich auf dem Platz. Drüben zur Linken glitzerten die Grabsteine des englischen Friedhofs
    weißlich, ziemlich unheimlich, und man konnte daneben die
    Grabhügel sehen, die Überreste alter chinesischer Gräber. Auf dem Abhang spukte es angeblich, und die Club- Chokras
    jammerten, wenn sie nachts die Straße hinauf geschickt wurden.
    »Du Schweinehund, rückgratloser Schweinehund«, dachte
    Flory, aber ohne Wut, denn er war diesen Gedanken zu
    gewohnt. »Kriechender, faulenzender und saufender,
    kopulierender, seelenerforschender und sich selbst
    bemitleidender Hund. All diese Idioten im Club, diese blöden Lümmel, denen du dir so gern überlegen vorkommst - sie sind alle besser als du, jeder einzelne von ihnen, wenigstens sind sie auf ihre dumme An Männer. Keine Feiglinge, keine Lügner.
    Nicht halbtot und verwesend. Du hingegen ...«
    Er hatte Grund, sich zu beschimpfen. Es hatte heute abend im Club eine häßliche, schmutzige Sache gegeben. Etwas ganz
    Gewöhnliches, ganz früheren Vorfällen entsprechend, aber
    trotzdem schäbig, feige, entehrend.
    Als Flory in den Club kam, waren nur Ellis und Maxwell dort gewesen. Die Lackersteens waren mit dem von Mr. Macgregor
    geliehenen Wagen zum Bahnhof gefahren, um ihre Nichte
    abzuholen, die mit dem Abendzug ankommen sollte. Die drei
    Männer spielten zu dritt ganz friedlich Bridge, als Westfield dazukam; sein sandfarbenes Gesicht war ganz rosa vor Wut, und er hatte ein Exemplar des Burma-Patrioten bei sich, darin ein verleumderischer Artikel, in dem Mr. Macgregor angegriffen wurde. Ellis und Westfield gerieten in teuflischen Zorn. Sie
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    waren so wütend, daß Flory nur mit größter Schwierigkeit so tun konnte, als wäre er wütend genug für ihre Befriedigung. Ellis fluchte fünf Minuten lang und entschloß sich dann durch eine ungewöhnliche Schlußfolgerung zu der Behauptung, Dr.
    Veraswami wäre für diesen Artikel verantwortlich. Und er hatte sich auch schon einen Gegenschlag ausgedacht. Sie würden eine Bekanntmachung anschlagen - eine Notiz, die derjenigen, die Mr. Macgregor gestern angeschlagen hatte, antwortete und
    widersprach. Ellis setzte sie sofort in seiner winzigen, klaren Handschrift auf:
    »Im Hinblick auf die unserem Stellvertretenden Kommissar
    erteilte feige Beleidigung möchten die Unterzeichneten ihrer Meinung Ausdruck geben, daß jetzt der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist, die Wahl von Niggern in diesen Club zu
    erwägen«, usw. usw.
    Westfield erhob Einsprüche gegen ›Nigger‹. Es wurde mit
    einer einzigen dünnen Linie ausgestrichen und durch
    ›Eingeborene‹ ersetzt. Die Bekanntmachung war unterschrieben
    »R. Westfield, P. W. Ellis, C. W. Maxwell, J. Flory.«
    Ellis war von seiner Idee so entzückt, daß eine gute Hälfte seiner Wut verpuffte. Der Anschlag würde an sich keine Folgen haben, aber die Nachricht davon würde schnell in der Stadt herumkommen und Dr. Veraswami morgen erreichen. Es kam
    darauf hinaus, daß der Doktor von der europäischen Gemeinde als Nigger bezeichnet worden war. Das erfreute Ellis. Den
    ganzen übrigen Abend konnte er den Blick kaum von dem
    Anschlagbrett wenden, und alle paar Minuten rief er
    schadenfroh aus: »Das wird dem kleinen Dickbauch was zum
    Nachdenken geben, heh? Wird diesem Schwein beibringen, wie wir über ihn denken. So muß man ihnen zeigen, wo sie
    hingehören, heh?« usw.
    Nun hatte Flory eine öffentliche Beleidigung seines Freundes unterzeichnet. Er hatte es getan aus demselben Grunde, aus dem er tausend Dinge in seinem Leben getan hatte; weil ihm der
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    kleine Funken Mut fehlte, den es zu einer Weigerung braucht.
    Denn natürlich hätte er sich weigern können, wenn er gewollt hätte; und ebenso natürlich hätte die Weigerung einen Krach mit Ellis

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