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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Vorwand eines Besuches
    beim Zahnarzt. Oh, welche Lust waren diese Ausflüge nach
    Rangun! Der Ansturm auf Smart und Mookerdums
    Buchhandlung, um die neu von England eingetroffenen Romane zu kaufen, das Essen bei Anderson mit Beefsteaks und Butter, Zwölftausend Kilometer weit auf Eis hierher transportiert, das herrliche Trinkgelage! Er war zu jung, um sich klarzumachen, was dieses Leben für ihn in Bereitschaft hielt. Er sah nicht die Jahre, die sich vor ihm erstreckten, einsam, ereignislos,
    korrumpierend.
    Er akklimatisierte sich in Burma. Sein Körper paßte sich dem fremden Rhythmus der tropischen Jahreszeit an. Jedes Jahr von Februar bis Mai brannte die Sonne vom Himmel wie ein
    wütender Gott, dann plötzlich blies der Monsun westwärts, erst in heftigen Sturmböen, dann in schwerem, unaufhörlich
    niederströmendem Regen, der alles durchweichte, bis weder die Kleidung noch das Bett noch die Speisen jemals trocken zu sein schienen. Es war immer noch heiß, eine stickige, dampfige
    Hitze. Die tiefer gelegenen Dschungelwege verwandelten sich in Morast, und die Reisfelder waren große Wüsten von stehendem Wasser mit einem schalen Mäusegeruch. Bücher und Schuhe
    verschimmelten. Nackte Burmanen mit meterbreiten Hüten aus Palmblättern pflügten die Reisfelder, trieben ihre Büffel durch
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    knietiefes Wasser. Später pflanzten Frauen und Kinder die
    grünen Reiskeimlinge, klopften jede Pflanze mit kleinen
    dreizinkigen Gabeln im Schmutz fest. Den Juli und August
    hindurch machte der Regen kaum eine Pause. Dann, eines
    Nachts, hörte man hoch oben das Kreischen unsichtbarer Vögel.
    Die Schnepfen flogen aus Zentralasien nach Süden. Der Regen flaute allmählich ab und hörte im Oktober ganz auf. Die Felder trockneten, der Reis reifte, die burmanischen Kinder spielten mit Gonyinsamen Himmel und Hölle und ließen im kühlen Wind
    Drachen steigen. Es war der Anfang des kurzen Winters, wenn Oberburma von dem Geist von England heimgesucht schien.
    Wilde Blumen erblühten überall, nicht ganz die gleichen wie in England, aber sehr ähnlich - Geißblatt in dichten Büschen, wilde Rosen, die nach Birnensaft rochen, sogar Veilchen an dunkleren Stellen im Wald. Die Sonne beschrieb am Himmel einen
    niedrigen Kreis, und nachts und am frühen Morgen war es bitter kalt, und weißer Nebel wälzte sich durch die Täler wie der Dampf von riesigen Kesseln. Man ging auf die Enten- und
    Schnepfenjagd. Schnepfen gab es unzählige, in Myriaden, und Wildgänse in Scharen, die mit einem Dröhnen, als führe ein Güterzug über eine Eisenbrücke, von dem Weiher aufflogen.
    Der reifende Reis, brusthoch und gelb, sah wie Weizen aus. Die Burmanen gingen mit vermummtem Kopf und die Arme über
    der Brust verschränkt an die Arbeit, ihre Gesichter waren gelb und durchfroren. Morgens marschierte man durch nebelige,
    uneinheitliche Wildnisse, über Lichtungen mit durchnäßtem, beinahe englischem Gras und kahlen Bäumen, auf deren oberen Zweigen Affen kauerten und auf die Sonne warteten. Wenn man abends die kalten Wege entlang zurück ins Lager ging,
    begegnete man Büffelherden, die von den Jungen heimwärts
    getrieben wurden, und ihre riesigen Hörner ragten aus dem
    Nebel wie Halbmonde. Man hatte drei Decken auf dem Bett,
    und Wildpasteten statt der ewigen Hühner. Nach dem Essen saß man auf einem Baumstamm an dem großen Lagerfeuer, trank
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    Bier und sprach über die Jagd. Die Flammen tanzten wie die roten Beeren der Stechpalme und warfen einen Lichtkreis über den Rand, an dem Diener und Kulis hockten, zu schüchtern, um sich unter die weißen Männer zu mischen, und doch möglichst nah ans Feuer herankommend wie Hunde. Wenn man im Bett
    lag, konnte man den Tau wie starken, aber sanften Regen von den Bäumen tropfen hören. Es war ein gutes Leben, solange
    man jung war und weder an die Zukunft noch an die
    Vergangenheit denken mußte.
    Flory war vierundzwanzig und sollte auf Heimaturlaub gehen, als der Krieg ausbrach. Er hatte sich vom Militärdienst gedrückt, was damals leicht war und das Natürliche zu sein schien. Die Zivilisten in Burma hatten die tröstliche Theorie, »die Stellung halten« sei der wahre Patriotismus; es gab sogar eine heimliche Feindseligkeit gegen die Männer, die ihre Stellung aufgaben, um in die Armee einzutreten. In Wirklichkeit hatte Flory sich vor dem Krieg gedrückt, weil der Osten ihn schon verdorben hatte und er seinen Whisky, seine Diener und seine burmanischen
    Mädchen nicht mit der Langeweile

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