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Tagebuch 1946-1949 (German Edition)

Tagebuch 1946-1949 (German Edition)

Titel: Tagebuch 1946-1949 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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wirbeln die Karusselle mit ihren bunten Glühbirnen, es leiert von allen Seiten, einer schlägt den Herkules, und immer wieder hört man das silberne Glöcklein, wenn er es geschafft hat, Frauen kreischen auf der Achterbahn, Schüsse in der Schießbude, dazu das stete Bewußtsein: morgen ist Montag … Der Dôle schmeckt vortrefflich, er kostet auch vortrefflich; aber der Harlekin, scheint es, hat ja Noten zum Verstreuen –
    »Im Ernst«, fragt Gottlieb mit jener Scherzhaftigkeit, die nichts als Vorsicht ist, Tarnung, damit die andern nicht unseren Ernst auslachen können: »Sie können wirklich zaubern? Ich meine, im Ernst – Geld – wirkliches Geld –«
    »Nichts leichter als das.«
    Gottlieb mag die Aufschneiderei nicht.
    »Nichts leichter als das!« wiederholt der Harlekin und streift die Asche von seiner Zigarre, lächelnd, wie wenn ein Professor etwa nach dem Einmaleins gefragt würde, nicht unwillig, eher gerührt über die Ahnungslosigkeit unsres Gottlieb: »Eine einzige Unterschrift, mein lieber, und Sie sind der reichste Mann auf dem Platz –.«
    »Ich?«
    »Bitte.«
    Noch ist Gottlieb nicht betrunken, noch sagt er sich selbst: Quatsch! Glaube ich nicht! Indessen hat der Harlekin, zum Beweisseiner Kunst herausgefordert, in seine Brusttasche gegriffen, die Zigarre im Mund, blinzelnd, da ihm der Rauch in die Augen kommt.
    »Bitte«, sagt der Kerl, der geschminkte: »unterschreiben Sie dieses Papier – nichts weiter – und Sie haben Geld, mehr als Sie brauchen können.«
    Auch der Ringer lacht über den Scherz.
    »Sie wollen mich zum Narren machen!« sagt Gottlieb, indem er das Papier immerhin zur Hand nimmt, ein wenig erschrocken, denn etwas Teuflisches hat er schon, dieser Harlekin, aber das macht die Schminke, doch schließlich ist Kirmes, denkt Gottlieb, einen Jux muß man sich schon gefallen lassen. Was soll es anderes sein? Ein Papier, eine Unterschrift –
    »Warum zögern Sie?« fragt der Harlekin.
    Gottlieb sucht seine Füllfeder.
    »Ich nehme Sie beim Wort!« lacht er: »Aber Sie müssen nicht meinen, daß ich daran glaube.«
    »Sie werden ja sehen.«
    »Was?«
    »Kaum haben Sie unterschrieben«, sagt der Harlekin nicht ohne lächelnde Betonung: »schon ist es geschehen, im gleichen Augenblick ist er gestorben –«
    »Gestorben?«
    »Im gleichen Augenblick.«
    »Wer?«
    »Der reichste Mann der Welt, Tschau Hing, der chinesische Mandarin –.«
    »Gestorben?«
    »Und Sie sind sein Erbe.«
    Gottlieb erblaßt … Er weiß wirklich nicht, was er denken soll. Der Harlekin füllt abermals ihre Gläser, obschon die Flasche, müßte man meinen, schon lange geleert ist.
    »Mein Herr«, sagt Gottlieb: »das können Sie einem anderen angeben, aber nicht mir –«
    Hier wird das Gespräch ohnehin unterbrochen, denn die Viertelstunde, die sie dem streikenden Ringer gesetzt haben, istvorbei, der Augenblick der Verhaftung ist gekommen und also der Krach, denn der Ringer hat gar keine Lust, sich abführen zu lassen von den beiden Gendarmen, jetzt schon gar nicht, wo er eine Zigarre hat, die erst zur Hälfte geraucht ist, und ein Glas voll Dôle. Kommt nicht in Frage, und wenn sie den Knüppel ziehen! Die Ausrufer rufen umsonst und ziehen ihre schrillen Glocken, kein Bein geht in ihre Buden, alles strömt zu unserem Ringer, der, die Zigarre im Mund, einen Gendarmen schlechterdings in die Luft hält, den Leuten zur Freude, den Gesetzen zum Trotz. Er meint es nicht böse, unser Ringer, aber der Gendarm blutet, die Leute pfeifen und johlen, spielen Fußball mit seinem weißen Helm, und auch Gottlieb ist außer sich.
    »Das ist ja die Höhe«, sagt er immerfort: »das ist ja die Höhe!«
    In fünf Minuten werden sie wiederkommen, das ist klar, ein ganzer Lastwagen voll, ein Dutzend oder mehr, um den armen Ringer abzuführen; die Empörung ist allgemein, alle auf seiten des Ringers, der als einziger schweigt und seinen Wein trinkt – der Harlekin füllt abermals sein Glas! … Die alte Bettlerin, der Kellner, das Blumenkind, alle stehen um das Tischlein herum, auch Doktor Knacks, der etwas versoffene Rechtsanwalt, und Schopf, der alte Bäckermeister, Gottliebs väterlicher Freund, keiner weiß einen Rat. Nur Gottlieb könnte helfen. Mit einer einzigen Unterschrift! Geld ist Macht.
    »Gib sie!« sagen sie: »Gib sie!«
    Etwas muß geschehen, denkt Gottlieb, auch er spürt den Wein, und ob es stimmt oder ein Jux ist, was der Geschminkte schwatzt, Geld ist Macht, das stimmt – … Tschau Hing, der reichste Mann der

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