Tagebuch 1946-1949 (German Edition)
auch wenn es ein Jux ist, er kann den geschminkten Schwätzer und Gaukler nicht ausstehen, er rümpft dieNase wie beim Jassen, wenn er, die Karten betrachtend, dem kommenden Spiel mißtraut. Gottlieb ist sein Freund, er mag nicht, wenn sie ihn zum Narren machen. Gottlieb ist imstande und glaubt daran!
»Was grübeln Sie denn?« lacht der Harlekin: »Wagen Sie es oder wagen Sie es nicht?«
»Natürlich –«
»Aber?«
»Wenn ich's mir so vorstelle –«
»Vorstellen!« lacht der Harlekin sehr unwillig, ein Lachen, das Gottlieb vor den anderen lächerlich macht: »Wenn Sie sich jedesmal vorstellen, was Ihre Unterschrift bedeutet, bleiben Sie Ihr Leben lang ein Kommis! – Oder habe ich nicht recht?« fragte er die andern: »Wenn einer einen Scheck unterzeichnet, hups, und ein andrer verreckt, weil der nichts zu unterzeichnen hat – was ist das anders? Unterschrift ist Unterschrift. Was ist der Unterschied? Oder wenn Sie einen Stimmzettel unterschreiben und Sie wählen Dschingiskhan, glauben Sie, daß Sie damit keinen Menschen töten? Ich bitte Sie –«
Man lacht.
»Oder habe ich nicht recht? Wie?«
Gottlieb mit der Füllfeder:
»Soll ich?« fragt er – wobei er es offenläßt, ob er es für Jux oder Ernst nimmt, er will sich ja nicht lächerlich machen, auch die andern zeigen nicht, wieviel sie daran glauben, ganz geheuer ist es ja nicht, es hat schon wirkliche Zauberer gegeben, Teufelskerle – Gottlieb ist entschlossen, sich wenigstens den Anschein zu geben, daß er es für einen Jux hält; er fragt sie noch einmal: »Soll ich?«
»Klar«, sagt der Rechtsanwalt.
Nur Schopf unterläßt jedes Nicken.
»Und wenn das Geld wirklich kommt?« fragt der erblaßte Gottlieb: »Werdet ihr mich nicht im Stich lassen, wenn ich euch einlade, euch alle – zu einem Fraß, meine Lieben, zu einem Fraß, wie sich unsereiner gar nicht vorstellen kann – werdet ihr mich nicht im Stich lassen?«
Sie lächeln verlegen.
»Knicks«, sagt der großartige Gottlieb: »was wollen wir auftischen? Kosten spielen keine Rolle –«
»Pfannkuchen!« sagt das Blumenkind.
»Quatsch!«
»Blutwurst –«
»Unsinn!« sagt der Ringer: »Wenn die Kosten keine Rolle spielen, dann schon lieber einen rechten Schinken –«
»Oder Leberknödel!«
»Das esse ich nicht.«
»Leberknödel, richtig gemacht –«
Nur der Rechtsanwalt hat Niveau:
»Das beste wäre eine Gans«, sagt er gelassen: »eine Gans mit Kastanien –.«
»Und dazu Preiselbeer«, sagt der Kellner.
»Und vorher Fisch –.«
»Und Champagner!«
»Das paßt nicht«, sagt der Rechtsanwalt: »Ich mach Ihnen den folgenden Vorschlag –«
»Knicks, schreiben Sie auf!«
»Erstens: Bouillon mit Mark. Zweitens: Forelle blau, dazu einen schönen Wein, einen weißen, Johannisberg oder so. Drittens: Gans, gefüllt mit Gänseleber und Kastanien, dazu Spätzli, Preiselbeer, Salat nach Jahreszeit. Zum Schluß: Fruchtsalat mit Kirsch oder Maraschino, Kaffee, Zigarren und so weiter – vergessen habe ich den zweiten Wein, einen schönen roten: Pommard …«
Knicks hat alles notiert.
»Na ja«, sagt der Ringer: »Sie müssen es ja wissen, Herr Doktor, aber genug muß es geben –.«
Darüber wird noch viel gesprochen, der Champagner soll doch nicht fehlen. Wenn schon, denn schon: man beerbt nur einmal den reichsten Mandarin der Welt! Allen läuft das Wasser im Munde zusammen, nur bei Gottlieb bleibt es trocken – bevor er die Unterschrift gibt, und da sie nun alle drauf warten, wird er um diese verrückte Unterschrift nicht herumkommen, aber vorhermöchte er immerhin noch wissen, was das bedeutet; auf dem Papier steht:
Erste Unterschrift –
Zweite Unterschrift –
Dritte Unterschrift –
»Ach so«, sagt der Harlekin: »das habe ich ja noch gar nicht erklärt. Verzeihung. Das ist ganz einfach. Erste Unterschrift: Tod eines chinesischen Mandarins, also eines Menschen, den Sie nie gesehen haben, den Sie gar nicht kennen.«
»Weiter!«
»Zweite Unterschrift: Tod eines Menschen, den Sie kennen, eines Freundes, der Ihnen im Wege steht –«
»Eines Freundes?«
»Keine Angst«, lächelt der Harlekin: »diese Unterschrift müssen Sie ja nicht geben. Niemand kann Sie dazu zwingen.«
»Und die dritte?«
»Dritte Unterschrift: daran stirbt der Mensch, den Sie am meisten lieben – aber wie gesagt, auch diese Unterschrift müssen Sie natürlich nicht geben, wenn Sie nicht wollen.«
»Hm.«
Pause.
»Nein«, sagt Gottlieb: »das mache ich nicht.«
»Wie Sie wollen.«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher