Tagebuch 1946-1949 (German Edition)
ist ein Teufelspakt –«
»Wie Sie wollen.«
Für die Enttäuschung, daß der tolle Schmaus nicht zustande kommen wird, bleibt übrigens gar keine Zeit – schon hört man die verhaßte Sirene der Gendarmerie, der Lastwagen ist da, der erwartete, und bevor sie es ganz begreifen, sind sie umringt von zwanzig weißen Helmen, ganz zu schweigen von den zwanzig Knüppeln. Es ist kein Spaß. Ein Gendarm hat aus der Nase geblutet; das kann der Staat nicht hinnehmen, jedermann wird das begreifen, Ordnung muß sein, auch der Ringer würde es begreifen, wenn er nicht den schweren Dôle getrunken hätte. Drei Gendarmen, die sich unserem Ringer nicht unhöflich genaht haben, sind bereits in die Stühle geflogen, so daß es scheppert vonGläsern und Helmen; die siebzehn andern, von der Menge mit Pfiffen geschmäht, halten sich an das Reglement, das die Reihenfolge der erlaubten Mittel genau bestimmt: Höflichkeit, Knüppel, Tränengas, Revolver. Jetzt sind sie beim Knüppel, ebenfalls erfolglos, zwei weitere Gendarmen werden von fliegenden Aschenbechern getroffen und fallen vorläufig aus; der Ringer, der sich von seinem erloschenen Zigarrenstummel nicht trennen kann, steht in der Mitte eines leeren Kreises, größer als alle andren, ein Stuhlbein in jeder Hand, und da er nach wie vor sein gestreiftes Trikot trägt, sieht es wirklich wie eine Darbietung aus, Publikum strömt herbei, endlich eine Darbietung ohne Eintritt, die Gendarmen wirken wie eine Sperrkette. Was weiter? Mit Knüppeln ist nichts zu machen, das Publikum klettert bereits auf Tische und Bäume. Was weiter? Der Ringer wischt sich die Augen mit beiden Handrücken, ohne die Stuhlbeine loszulassen, wischt sich die Augen wie ein flennendes Kind – Tränengas …
»Pfui Teufel!« rufen die Leute.
Der einzige am Platz, der helfen könnte, ist Gottlieb. Mit einer einzigen Unterschrift. Er verspürt die gleiche Wut wie vorher in der Ballbude. Plötzlich sagt er:
»Her damit, ich unterschreibe!«
Unterdessen haben sie den weinenden Ringer bereits gefesselt, so daß er sich nicht einmal mehr die Augen wischen kann; die Empörung ist allgemein, aber ohnmächtig – Und dann der große Augenblick: der Harlekin, dankend für die Unterschrift, faltet das Papier, wirft es in die Luft, wo es einen Knall gibt, einen schwefelgrünen Blitz wie von einer Rakete und weiter nichts … der Ringer wird auf den Wagen verladen, Gottlieb steht da, der Wagen fährt los, als wäre nichts geschehen, man hört seine verhaßte Sirene, das Publikum murrt und zerstreut sich, das Tingeltangel geht weiter, auch der Harlekin ist verschwunden, ein wenig stinkt es von dem schwefelgrünen Blitz, das ist alles –
»Ein bengalischer Furz.«
Der Rechtsanwalt findet immer das rechte Wort. Gottlieb ist totenblaß. Der Kellner sammelt die Aschenbecher, die Bettlerinzieht weiter, ebenso das Blumenkind, der Rechtsanwalt grinst:
»Der hat wirklich dran geglaubt!«
Nur Schopf, der Bäckermeister, läßt unseren Gottlieb nicht im Stich, greift ihn am Ellbogen und sagt:
»Sei froh. Es ist besser so. Sei froh, daß es ein Schwindel gewesen ist.«
Ein paar Schritte gehen sie zusammen.
»Du hast es ja gut gemeint«, sagt Schopf: »aber so geht das nicht. Und ob es ein Unrecht ist! Aber mit Zauberei, weißt du, das ist nichts. Und mit Töten schon gar nicht –. Sei froh, daß es ein Schwindel gewesen ist …«
Dann ist Gottlieb allein.
Geld hat er keines mehr, nach Hause mag er nicht gehen, so steht er herum vor den wirbelnden Karussells, die Hände in den Hosentaschen, umgeben von Geleier und Gebimmel, einer schlägt den Herkules, Frauen kreischen auf der Achterbahn, ein Ringer sitzt im Gefängnis, aber das Leben geht weiter … So ist die Welt! denkt Gottlieb nicht ohne Tiefsinn, der sich mit Dôle und Tingeltangel mischt: So ist die Welt, lieblos bis ans Herz hinan – denkt er und spürt im gleichen Augenblick, wie ein Arm sich in den seinen schiebt. Es ist das Mädchen, das ihn auf den Hund gebracht hat, das Mädchen mit den Bällen; außerdem ein sehr nettes Geschöpf, jung, nicht unerfahren.
»Ich heiße Jenny«, sagt sie.
Ein Stücklein gehen sie Arm in Arm, wortlos, Gottlieb findet es schön, nicht einsam zu sein in dieser Welt, aber über die Lippen bringt er kein Wort; erst nach einer Weile fällt ihm etwas ein, er bleibt stehen und sagt:
»Ich habe kein Geld.«
»Weiß ich –.«
»Und überhaupt«, sagt Gottlieb: »was wollen Sie eigentlich von mir?«
Jenny lächelt:
»Sie
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