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Tagebuch 1946-1949 (German Edition)

Tagebuch 1946-1949 (German Edition)

Titel: Tagebuch 1946-1949 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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kümmerts, daß er zahlen kann!«
    »Uns kümmern die Papiere, nichts weiter, ob er zahlt oder nicht.«
    »Papiere …!«
    Der Gendarm grüßt mit der Hand an der Mütze, zum Gehen entschlossen, bevor die Plauderei seine amtliche Haltung zersetzt.
    »Herrgott nochmal«, wehrt sich der Concierge gegen die neue Bedrohung: »wie soll einer hieherkommen, wenn er keine Papierehätte? Heutzutage! Wie soll er über alle die Grenzen und Zonen kommen, wie sollte ein Mensch, der keine Papiere hat, bis zu dieser Schwelle gelangen? Heutzutage! Es ist ja lächerlich!«
    »Das stimmt auch wieder – ja …«
    »Ich meine!«
    »Daß es lächerlich ist, das muß mir keiner sagen! Ich kenne das: ich habe es bis da … Haben Sie die Geschichte gelesen neulich in der Zeitung? Daß einer die Zöllner erschlagen hat, weil er keine Papiere hatte –.«
    »Erschlagen?«
    »Mit der Axt.«
    »Schauderhaft! Schauderhaft!«
    »Ich verstehe das –«
    Man hört ein weibliches Gelächter, und sie treten zurück, wie über einem verbotenen Gespräch ertappt: es kommen Inge und der Graf, der stets seine Ledermappe bei sich hat, beide sind in sommerliches Weiß gekleidet, und Inge hat die Hand in seinen Arm gelegt … Der Concierge verbeugt sich:
    »Guten Morgen den Herrschaften!«
    »Post?«
    »Bedaure, Herr Graf, bedaure!«
    »Noch immer nichts …«
    »Die Herrschaften wegen der Yacht lassen sagen, sie erwarten die Herrschaften nebenan in der Bar.«
    Der Graf wirkt zerstreut:
    »Immer noch nichts«, murmelt er: »man könnte wirklich meinen, alle Welt habe uns vergessen …«
    »Die Herrschaften wegen der Yacht lassen sagen, sie erwarten die Herrschaften nebenan in der Bar«.
    »Danke, danke …«
    Der Concierge begibt sich gegen die Bartüre, beflissen, dann aber zögernd, da der Graf noch stehenbleibt.
    »Was ich noch fragen wollte«, beginnt er langsam und in der gelassenen Art eines Menschen, der gewohnt ist, daß jedermann auf seine Worte wartet: »was ich noch fragen wollte – Sie sind doch Gendarm?«
    »Allerdings.«
    »Mein Mann meint immer, er kenne Sie!«
    »Mich?«
    »Im Ernst«, lächelt der Graf: »aber ich erinnere mich nicht –«
    »Ich auch nicht.«
    »Waren Sie einmal bei uns in Öderland?«
    »Öderland?«
    »Siehst du!« sagt Inge: »Er kennt es nicht einmal dem Namen nach.«
    »Sie haben eine sehr große Ähnlichkeit mit einem sehr ähnlichen Menschen, der einmal lange Zeit bei mir gedient hat –«
    »Auf unserem Gut, verstehen Sie!«
    »Als Bienenzüchter, glaube ich.«
    »Ich?«
    »Oder als Reitmeister vielleicht?«
    »Reitmeister?« sagt der Gendarm und scheint von dem bloßen Wort schon benommen: »Das käme mir nicht ungelegen, muß ich sagen, Reitmeister oder so …!«
    Er lacht unsicher.
    »Sie sind nicht gerne Gendarm?«
    »Offen gestanden, Herr Graf, offen gestanden –«
    »Ich verstehe das.«
    Unterdessen hat der Concierge, damit die Herrschaft sich nicht länger mit dem Gendarmen aufhalten muß, die Schiebetüre geöffnet, die zur Bar führt; man hört Musik, die aus einem Radio kommt, eine leise verschwommene Musik, und die Herrschaften wegen der Yacht, die in der Bar warten, sitzen in gediegenen Polstersesseln; sie rauchen eine Zigarette; sie trinken einen Cognac; es sind Elsa und Doktor Hahn … Aber der Graf, der von einer unaufdringlichen und gewinnenden Leutseligkeit ist, redet noch immer mit dem Gendarm, der ihn an einen Bienenzüchter erinnert.
    »Und warum sind Sie denn Gendarm?«
    »Ja, Herr Graf, wenn unsereiner tun und lassen könnte, was er möchte!«
    »Warum nicht?«
    »Ja – warum nicht …«
    »Kurz ist das Leben«, sagt der Graf mit einem halben Lächeln und so, wie man ein sehr bekanntes Zitat sagt: »groß ist die Nacht, verflucht ist die Hoffnung auf den Feierabend, heilig ist der Tag, solang die Sonne scheint, und es lebe ein jeder, solang die Sonne scheint, herrlich ist er und frei.«
    Der Gendarm schweigt ihn an.
    »Im Ernst gesprochen –«
    »Herr Graf haben ganz recht!« nickt der Gendarm: »Auch unsereiner möchte lieber auf einer Yacht herumfahren –.«
    Der Graf blickt auf Inge:
    »Dann soll er doch mit uns kommen, meine ich, als Matrose oder Koch oder so?«
    Inge nickt.
    »Das heißt, wenn Sie dazu Lust haben?«
    »Lust?«
    »Wir fahren morgen oder übermorgen.«
    »Meinen Herr Graf das im Ernst?«
    »Warum nicht.«
    Der Gendarm, nicht gefaßt auf die Gelegenheit, die er ein Leben lang erwartet hat, erschrocken vor dem bloßen Gedanken, daß es sich erfüllen könnte, blickt

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