Tagebuch 1946-1949 (German Edition)
Leute unter euch, die ein Netz nach mir werfen?«
Sie schweigen.
»Es wird ihnen nicht gelingen.«
Der Handlanger:
»Ich verstehe kein Wort …«
Das Pferd, das als erstes den Rauch riecht, läßt sich nicht mehrhalten, und der Graf, als es sich aufbäumt mit rutschenden Hufen, kann nur noch die Worte rufen:
»Löscht eure Häuser!«
Nach einer Stunde noch, wenn sie zurückschauen, sehen sie die glühenden Wolken über dem Dorf, das betrunken ist; wie rote Fahnen weht es auf den Dächern; mit Augen, die vom Rauch entzündet sind, stehen die wehrlosen Köhler und Taglöhner und Arbeiter und Handlanger.
»Verschwunden ist er.«
»Wir sind verraten und verlumpt.«
Inge lacht:
»Warum schaust du zurück?«
»Es ist der Himmel, der die Heide rötet.«
»Es ist die Heide, die den Himmel rötet.«
»Was habe ich getan?«
»Weiter, Freund, weiter …«
»Ich weiß nicht, was geschehen ist. –«
»Der Weg ist offen, Graf von Öderland, herrlich bist du und frei!«
»Herrlich bin ich und frei; aber wo, meine Seele, wo führst du mich hin?«
Sechste Szene
Der Mörder in der Zelle:
»Ich liege auf der Pritsche, die der Staat mir gibt, und weiß nicht, ob es Montag ist oder Freitag. Warum soll ich Reue zeigen, wenn ich sie nicht fühlen kann? Vielleicht ist heute gerade Montag, und wenn ich hinauskäme, weil ich Reue zeige, was wäre verändert? Wenn ich diese Mauern sehe, manchmal meine ich, man müßte sich nur erheben, und die Mauern fielen uns wie Staub von den Schultern. Aber wohin soll ich gehen? Was hätte ich gewonnen? Das Schönste, was ich erlebte, war der Freitag. Wenn man wußte: morgen ist Samstag. Am Samstag arbeitete man und wußte: morgen ist Sonntag. Am Sonntag war jedesmal ein Fußballspiel, aber schon in der Pause war es gräßlich, daswußte ich, schon in der Pause war die Angst auf den Montag, und wenn man nach Hause ging, sah man die Menschen, wie sie Gebäck und Kuchen kauften. Das Schönste, glaube ich wirklich, war der Freitag, wenn es gegen Abend ging. Einmal wurde ich geliebt. Es war ein sehr junges Mädchen, das eben aus der Schule entlassen war, und auch damals wußte ich nicht, ob es Montag ist oder Freitag, genau wie jetzt. Jeden Abend wartete sie vor dem Ausgang unserer Bank. Das ging fast ein Jahr. Dann hatte sie genug von mir, denn sie war sehr viel jünger und hatte einen andern, so daß ich eifersüchtig wurde und häßlich, und das ist eigentlich das einzige, was ich bereue. Ihren Namen werde ich niemals sagen. Sonst bringt man sie vor das Gericht, wo sie mich ansehen muß, und wenn ich dann in Reue zusammensacke, mißverstehen sie es. Auch ein Hauswart ist ein Mensch; wer zweifelte daran? Aber wieviel wert ist der Mensch? Zeitweise im Gericht, wenn ich die vielen Leute sehe, vor allem die dreizehn Geschworenen, die ihren Laden und ihre Werkstatt verlassen haben, damit Recht geschieht, empfinde ich es wie einen Trost: daß ihnen der Mensch so viel wert ist, wenn er erschlagen ist. Es war nicht zu erwarten, solange er die Türe bediente. Es war nicht zu sehen …«
Er horcht, dann springt er auf, und zwar so, daß der eine Fuß auf dem Boden steht, der andere auf der Pritsche; hinter ihm die graue Wand und das vergitterte Fenster, das gerade Morgensonne hat. So steht er und horcht, man sieht die Kette von Handgelenk zu Handgelenk:
»Wer da? Wer da …?«
Es vergeht eine ziemliche Weile mit Schlüssellärm, mit Stimmen, die vor der Türe gedämpft werden. Endlich öffnet sich die Türe; es erscheint ein Herr im Mantel, und der Mörder fragt:
»Wer sind Sie?«
Der Herr im Mantel, der von dem Mörder keinerlei Notiz nimmt, wendet sich in die Türe zurück und sagt seinerseits:
»Darf ich die Herren bitten?«
Sie treten ein, nicht ohne Umstände, indem einer dem andern den Vortritt überlassen will; einzelne tragen eine schwarze Melone,und auch ein General ist dabei; nach und nach sind es zwölf oder dreizehn Personen, so daß die Zelle allerdings voll ist, und der Herr, der als erster eingetreten ist, sagt:
»Meine Herren, Sie haben den Tatort gesehen, Sie haben die Axt gesehen, Sie befinden sich nun in der Zelle des Mörders. Auch hieher haben wir Sie bemüht, damit Sie sich persönlich überzeugen können, ob die Angaben, die Sie aus der letzten Note unserer Regierung kennen, zutreffen oder nicht. Der Mörder bewohnt diese Zelle seit acht Monaten. Außer den Stunden, da man ihn zu den Verhandlungen führte, hat er die Zelle nicht verlassen. Gesprochen haben mit ihm:
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