Tagebuch der Apokalypse 3: Roman (German Edition)
aber eingehende Anrufe waren sehr selten. Die Zuverlässigkeit des amerikanischen Telefonnetzes hatte in den Wochen nach Neujahr und seit dem Auftreten der Untoten abgenommen. Im Februar hatte Crusows Zimmergenosse und bester Freund gegen Mitternacht den verzweifelten Anruf entgegengenommen.
»Hallo, hier ist Trisha. Ich muss Crusow sprechen.«
»Mein Gott, Trish, eure Telefone funktionieren noch?«
»Gottverdammt, Mark, ich habe keine Zeit! Sie sind an der Tür, und das Haus brennt!«
»Okay, okay, ich hol ihn ja schon … Bleib dran.«
Als Crusow den Funkraum betrat, waren am anderen Ende der Leitung – und auf der anderen Seite der Welt – nur noch Trishs Schreie zu hören. Sie wurde zerrissen. Crusow brach auf dem Boden zusammen und hörte die letzten Worte seiner Frau. Er lag noch lange dort, lange nachdem das Feuer die Verbindung unterbrochen hatte, und lauschte dem Freizeichen im Hörer. Danach konnte er sich stundenlang nicht rühren. Er wünschte sich den Tod. Er hoffte, dass der schneidende Schmerz und die Trauer ihn töten würden. Sie taten es nicht.
Dreizehn
Crusow saß mit Mark, einem guten Freund, den er nach seiner Ankunft in der Außenstation gewonnen hatte, in der Einsatzleitung. Maschinen durften nur zu festgelegten Zeiten laufen, denn sauberes Dieselöl war eine nicht erneuerbare Ressource. Biodieselöl immerhin zeitigte einen begrenzten Erfolg. Es war schmutzig, stank und machte Crusows Job noch beschwerlicher, aber er half, die Körpertemperatur bei oder über 37 Grad zu halten.
Crusow war es zwar satt, den Dieselmotor, den die Außenstation dazu bestimmt hatte, mit Biobrennstoff zu laufen, auseinanderzunehmen, zu warten und wieder zusammenzubauen, aber er wusste auch, dass die ganze Station ohne ihn jetzt nur noch ein starrer Eisblock gewesen wäre. Das kleine Gefühl, etwas von Wert zu erringen, das er mit jedem Tag verspürte, an dem er die Station am Leben erhielt, gab ihm ein Ziel und ein Lebensmotiv. Er fühlte sich nun schmerzlich allein. Der letzte Mensch, den er wirklich geliebt hatte, war tot. Er hoffte, dass Trish jetzt nicht irgendwo umherwanderte. Er fragte sich oft, ob das Feuer sie erledigt hatte, aber die Vorstellung, dass sie eine von denen geworden war, schmerzte nicht weniger.
Mark und er hatten kürzlich Reparaturen an der Hochfrequenzantenne der Station vorgenommen. Im kalten arktischen Wind war ein Haltekabel gerissen. Sie hatten das Kabel mit der Schneekatze stramm gezogen und an dem neuen Verankerungspunkt im Eis festgemacht. Ohne HF hatten sie keine Ohren, um zu hören, was sich auf dem Kontinent tat. Das HF-Senderwahlverfahren war sehr arbeitsintensiv und erforderte theoretisches Grundwissen in Funkfrequenzfragen. Manche Frequenzen funktionierten in der Arktis zu bestimmten Zeiten nicht, manche hingegen schon. Dieser Prozess war bereits unter normalen atmosphärischen Bedingungen kompliziert, doch so hoch im Norden nahmen die Schwierigkeiten exponentiell zu. Wenn die atmosphärischen Bedingungen stimmten, konnte man manchmal ein Kurzwellensignal der BBC empfangen, das sich ständig wiederholend auf irgendeiner fernen Sendeanlage lief, die wahrscheinlich mit alternativer Energie gespeist wurde.
»Bleiben Sie zu Hause – alle bekannten Rettungseinrichtungen sind überlaufen. Falls Sie verletzt sind oder jemanden kennen, der von einem Infizierten verletzt wurde, bemühen Sie sich sofort um Isolationsmaßnahmen …«
Mark trug das HF-Headset auf dem Kopf, als es zum Kontakt mit der USS George Washington kam. Die Verbindung wurde von der vom Wind beschädigten Antenne abgeschnitten. Nun, da sie repariert war, suchten sie das Spektrum ab und forschten nach dem Schiff oder nach einem anderen, das sie vielleicht empfing.
Obwohl ein Flugzeugträger kaum dazu beitragen konnte, sie im hohen Norden zu retten, bestand doch die Möglichkeit, dass er mit Einheiten in Verbindung stand, die zu Crusow, Mark und den restlichen Überlebenden vorstoßen konnten.
Im Moment setzten alle in der Außenstation lebenden Menschen ihre gesamte Hoffnung nur auf eine einzige umsetzbare Möglichkeit – nicht zu erfrieren und die Kerntemperatur beizubehalten. Crusow wusste, dass der Winter tobte und sie eigentlich nur ein Wunder aus dieser Hölle retten konnte.
Von den fünf vor Ort Verbliebenen vertraute er ausschließlich Mark und sich selbst. Zur Gruppe gehörten nur zwei Soldaten. Crusow kam zwar gut mit ihnen aus, traute ihnen aber nicht wirklich. Sie sind wie Bullen, dachte er
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