Tagebuch der Apokalypse 3: Roman (German Edition)
entwischen, indem er unter dem Luftzirkulator her in einen großen Ventilatorenraum flitzte. Er wusste nicht genau wo, weil alles so neblig war und in einem seltsamen Tempo ablief. Die Kreaturen waren erbarmungslos und gaben nicht auf. Dannys Knie waren aufgeschlagen und blutig; er hatte das Gefühl, er sei kilometerweit auf allen vieren gekrochen.
Er spürte es ganz deutlich. Die eiskalte Hand des Todes war ihm auf den Fersen. Die fleischlosen Klauen eines Untoten schlossen sich um seinen Fuß und drückten so fest zu wie ein Schraubstock. Danny konnte sich nicht mehr voran bewegen; das Ding zerrte ihn zurück, um ihn zu töten. Eine merkwürdig aussehende Ratte in einer finsteren Ecke schaute ihm aus rot glühenden Augen zu.
Danny trat um sich. Er schrie laut auf und rettete sich aus der Landschaft der Albträume – und den Fängen des Sandmanns.
Jemand schüttelte ihn, zerrte ihn den Rest des Rückwegs in die Wirklichkeit, in die Sicherheit der Arme seiner Großmutter.
»Danny, Schatz, wach auf. Du träumst nur. Wach auf.«
Danny zappelte unter der Decke, bis er genau wusste, dass es seine Großmutter war, die ihn festhielt.
»Sie sind auf dem Schiff, Oma!«, rief er, von dem Albtraum noch ganz außer sich.
»Nein, Schatz, sie sind nicht an Bord. Sie sind weit weg, an Land. Wir sind sicher. Beruhig dich, mein Schatz. Hol tief Luft.«
»Ich hab sie gehört, Oma«, sagte Danny schluchzend. »Schon bevor ich ganz hinten im Schiff war. Ich habe sie gehört.«
»Nein, Schatz, sie sind nicht hier«, sagte Dean. »Beruhige dich und versuch, wieder einzuschlafen.« Sie strich dem Jungen über den Haarwirbel.
»Sind sie doch . Ich weiß, wie sie klingen. Ich hab es nicht vergessen. Ich weiß noch alles vom Wasserturm. Ich erinnere mich auch an Mama und Papa …«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach Danny, bevor er den finsteren Weg der Erinnerung beschreiten konnte.
Dean drückte ihn wieder aufs Bett, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und ging zur Tür. Sie öffnete sie nur einen Spaltbreit, um zu sehen, wer zu dieser späten Stunde noch zu Besuch kam. Es war Tara. Im Nachthemd.
»Ist alles in Ordnung, Dean? Ich habe Danny gehört.«
»Ja, schon wieder ein Albtraum. Er hat sie jetzt seit einer Woche. Ich weiß auch nicht mehr, was ich tun soll.«
»Kann ich helfen?«
»Nein, es geht schon. Danke für das Angebot. Er muss da einfach durch. Er glaubt wirklich, dass sie an Bord sind.«
»Die Dinger?«
»Ja, er ist davon überzeugt. Er glaubt, er hätte einen gehört.«
»Wo? Und wann?«, fragte Tara. Ein Anflug von Furcht huschte über ihr Gesicht.
»Vor über einer Woche, weiter hinten im Schiff, auf unserem Deck, in dem Bereich, den keiner betreten darf. Er hat mir gar nicht erzählt, dass er dort war. Ich hab’s erst nach seinem ersten Albtraum rausgekriegt.«
»Was meinst du?«
»In Bezug auf Danny?«
»Nein, in Bezug auf das, was er gesagt hat. Dass sie an Bord sind.«
Dean legte kurz den Kopf schief und wägte ihre Worte sorgfältig ab. »Sagen wir’s mal so: Ich glaube, dass Danny eine Menge durchgemacht hat.«
»Nach allem, was ich gesehen habe, bist du ein ziemlich zäher Knochen.«
»Danke. Mag sein, dass ich manchmal so wirke, aber hin und wieder ist es wirklich hilfreich, es jemanden sagen zu hören.«
»Ich meine es ernst. Gute Nacht, Dean.«
»Gute Nacht, Süße. Sag mir bloß Bescheid, wenn du und Laura etwas braucht. Ich weiß doch, dass ihre Mama neuerdings beim Doc eine Menge zu tun hat.«
»Danke«, sagte Tara und kehrte in ihre nebenan liegende Kabine zurück.
Dean schloss hinter Tara die Tür und wandte ich um, um zu sehen, was Danny machte. Die Decke ging im Rhythmus seines Atmens regelmäßig auf und ab. Taras Stimme hatte ihn anscheinend so weit beruhigt, dass er wieder eingeschlafen war.
Dean schaltete ihre Leselampe ein und ließ den Blick über das Bücherbrett schweifen. Sie entschied sich für ein willkürliches Taschenbuch, damit es ihr beim Einschlafen half. Sie begann irgendwo in Freakonomics , wo sie erfuhr, wieso Drogenhändler immer noch bei ihren Müttern wohnten … jedenfalls war es vor nicht allzu langer Zeit so gewesen, als es noch Drogenhändler und Mütter gegeben hatte.
Dean wurde irgendwann müde und wechselte ebenfalls ins Land der Träume. Bevor das Buch ihrer Hand entglitt, war ihr letzter Gedanke: Bleib für ihn am Leben. Bislang war es den lebenden Leichnamen nicht gelungen, das Band zwischen ihnen zu zerreißen. Dean schwor sich, nicht länger
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