Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
Wie gefällt sie dir?“ stieß Tyler hervor. Er konnte kaum noch sprechen mit dem Tiermaul, zwischen dessen großen, gefährlichen Zähnen die Zunge hervorhing. Sein Gesicht hatte nichts Menschliches mehr. Es besaß jetzt eine Schnauze und kleine, gelbe Augen mit geschlitzten
Pupillen. Sein rotblondes Haar bedeckte Gesicht, Hals, Hände, den ganzen Körper. Ein Pelz. Tyler war zum Werwolf geworden. „Du kannst hier oben schreien, soviel du willst, niemand wird dich hören“, fügte er hinzu.
Jeder Muskel in Meredith' Körper war erstarrt im verzweifelten Bemühen, Tyler zu entkommen. Es war eine Reflexbewegung, die sie nicht steuern konnte. Sein Atem war heiß und stank wie der eines Tieres. Die Nägel, die er in ihr Handgelenk bohrte, waren abgesplitterte schwarze Krallen. Sie hatte nicht mehr die Kraft zu schreien.
„Neben Vampiren gibt es auch andere Geschöpfe, die nach Blut dürsten. Und ich möchte deins kosten. Doch zunächst werden wir zwei ein wenig Spaß haben.“ Obwohl er noch auf zwei Beinen stand, war sein Körper gebeugt und merkwürdig verzerrt. Sie konnte sich nur schwach wehren, als er sie auf den Boden zwang. Meredith war ein kräftiges Mädchen, aber er war viel stärker als sie. Die Muskeln unter seinem Hemd wölbten sich, als er sie festhielt.
„Du warst dir immer zu schade für mich, stimmt's? Nun, jetzt wirst du herausfinden, was dir entgangen ist.“ Ich kann nicht mehr atmen. Meredith' Gedanken überschlugen sich. Sein Arm lag quer über ihrer Kehle und schnürte ihr die Luft ab. Graue Schleier stiegen vor ihren Augen auf. Wenn sie jetzt die Besinnung verlor...
„Du wirst dir wünschen, du würdest so schnell sterben wie Sue.“ Tylers Gesicht war über ihr, geschwollen und rot wie der Mond. Seine andere Hand hielt mühelos ihre Arme über ihrem Kopf fest. „Kennst du das Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf?“
Das Grau wurde zu Schwarz, das gesprenkelt war mit kleinen Blitzen. Wie Sterne, dachte Meredith. Ich sinke in ein Meer von Sternen... „Tyler, nimm deine Hände weg! Laß sie los! Sofort!“
schrie Matt.
Tylers siegessicheres Knurren wurde zu einem überraschten Winseln. Sein Arm über Meredith' Hals lockerte sich, und frische Luft strömte in ihre Lungen. Schritte erklangen um sie herum. „Auf diese Gelegenheit habe ich schon lange gewartet.“
Matt packte das rotblonde Haar und riß den Kopf zurück. Dann krachte seine Faust in Tylers neugewachsene Schnauze. Blut flog aus der feuchten Tiernase.
Das Geräusch, das Tyler von sich gab, ließ Meredith das Blut in den Adern gefrieren. Er sprang Matt an und drehte sich noch in der Luft mit ausgefahrenen Krallen. Matt wurde von dem Angriff zu Boden geschleudert. Tyler warf sich auf ihn. Du maßt ihm helfen! Schwindlig versuchte Meredith aufzustehen.
Sie schaffte es nicht. Ihr ganzer Körper zitterte unkontrolliert.
Doch jemand anders riß Tyler von Matt zurück. So leicht, als würde der riesige
Kerl nicht mehr wiegen als eine Puppe. „Wie in alten Zeiten, Junge, stimmt's?“ Stefan setzte Tyler auf die Füße und sah ihn herausfordernd an. Tyler überlegte kurz und versuchte dann wegzulaufen. Er war schnell, und bewegte sich geschickt wie ein Tier zwischen den Grabsteinen hin und her. Doch Stefan war schneller und schnitt ihm den Weg ab. „Meredith, bist du verletzt? Meredith?“ Bonnie kniete neben ihr. Meredith nickte -
sie konnte immer noch nicht sprechen - und ließ zu, daß Bonnie ihren Kopf sanft anhob. „Ich wußte, wir hätten ihn früher stoppen sollen, ich wußte es.“ Bonnie machte sich Vorwürfe. Stefan schleppte Tyler zurück. „Ich hab immer gewußt, daß du ein Idiot bist“, sagte er und stieß Tyler gegen einen Grabstein. „Aber ich hatte keine Ahnung, daß du derart verblödet bist. Ich dachte, du hättest inzwischen gelernt, keine Mädchen mehr auf Friedhöfen anzufallen. Aber, nein. Und du mußtest natürlich auch damit angeben, was du Sue angetan hast. Das war nicht sehr klug, Tyler.“ Meredith betrachtete die beiden. So unterschiedlich, dachte sie. Obwohl sie beide irgendwie Geschöpfe der Dunkelheit waren. Stefan war bleich, seine grünen Augen blitzten vor Wut und Rachegelüsten, und doch umgab ihn eine Art, Würde, fast Reinheit. Er glich einem strengen Marmorengel. Tyler hingegen war nur ein gefangenes Tier.
Er kauerte am Boden und atmete schwer. Seine Brust war mit Blut und Geifer befleckt. Die gelben Augen brannten vor Haß und Angst, und seine Finger bewegten sich, als
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