Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
Tyler versucht, Elena nach dem Schulball zu vergewaltigen. Stefan hatte sie gerettet, und das war der Anfang für beide gewesen. Der Friedhof hatte schon eine Menge gesehen.
Er war sogar Zeuge gewesen, als die ganze Gruppe im letzten Dezember im Gänsemarsch den Hügel zur Kirchenruine hochmarschiert war, um Katherines Schlupfwinkel zu suchen.
Sieben von ihnen waren in die Gruft hinuntergestiegen: Meredith selbst, Bonnie, Matt, und Elena mit Stefan, Damon und Alaric. Aber nur sechs waren heil wieder herausgekommen.
Als man Elena hochgeholt hatte, war es, um sie zu begraben.
Dieser Friedhof war der Anfang und das Ende gewesen. Und heute nacht würde es vielleicht ein weiteres Ende geben.
Meredith stieß seufzend das Tor auf und ging entschlossen los. Ich wünschte, du wärst hier bei mir, Alaric, dachte sie. Ich könnte deinen Optimismus gebrauchen, deine Kenntnisse, was das Übernatürliche betrifft; und deine Muskelkraft wäre auch nicht zu verachten.
Elenas Grab lag natürlich auf dem neuen Friedhof, wo das Gras noch gemäht wurde und die Gräber mit Blumen geschmückt waren. Der Grabstein war sehr schlicht und hatte nur eine kurze Inschrift.
Meredith bückte sich und legte ihren Rosenstrauß davor. Dann fügte sie langsam die schwarzrote Quaste ihrer Kappe hinzu.
Im Dämmerlicht sahen beide Farben gleich aus. Wie getrocknetes Blut. Sie kniete sich nieder, faltete die Hände – und wartete. Der Friedhof um sie herum war fast unnatürlich still. In der Dunkelheit sanft schimmernd, erstreckten sich die Reihen der weißen Grabsteine rechts und links von ihr. Meredith lauschte auf jedes Geräusch. Und dann hörte sie etwas. Schwere Schritte. Den Kopf gebeugt, blieb sie ganz ruhig und tat, als hätte sie nichts bemerkt. Die Schritte kamen jetzt näher heran und gaben sich keine Mühe, leise zu sein. „Hallo, Meredith.“ Meredith sah sich schnell um. „Oh, du bist's, Tyler. Du hast mich erschreckt. Ich dachte, es wäre... na, ist auch egal.“ „Ja?“ Tyler grinste breit. „Tut mir leid, daß ich dich enttäuscht habe. Aber hier bin nur ich. Du und ich und niemand sonst.“ „Was machst du überhaupt auf dem Friedhof, Tyler? Keine heiße Party in Sicht?“ „Dasselbe könnte ich dich fragen.“ Tylers Blick glitt zu dem Grabstein und der Quaste.
Sein Gesicht verdüsterte sich. „Ich glaube, ich kenne die Antwort. Du bist wegen ihr gekommen. ,Elena Gilbert, ein Licht in der Dunkelheit’“, las er spöttisch vor. „Das stimmt“, erwiderte Meredith ruhig. „Elena bedeutet ,Licht', mußt du wissen. Und sie war tatsächlich von
Dunkelheit umgeben. Die Dunkelheit hätte sie fast besiegt, doch am Ende hat Elena gewonnen.“ „Vielleicht.“ Tylers Kiefer mahlten, er kniff die Augen zusammen. „Aber weiß du, Meredith, mit der Dunkelheit, das ist so eine komische Sache.
Sie ist tiefer und dichter, als man sich vorstellen kann.“
„Wie heute nacht.“ Meredith schaute zum Himmel. Er war klar und mit winzigen Sternen gesprenkelt. „Heute nacht ist es sehr dunkel, Tyler. Doch früher oder später wird die Sonne aufgehen.“
„Ja, aber zuerst kommt der Mond.“ Tyler kicherte plötzlich, als läge darin ein Witz, den nur er verstehen konnte. „He, Meredith. Kennst du schon die Familiengrabstätte der Smallwoods? Komm, ich zeig sie dir. Es ist nicht weit.“
Genau, wie er sie Elena gezeigt hat, dachte Meredith.
Irgendwie genoß sie dieses Wortgefecht, aber sie verlor trotzdem nie aus den Augen, warum sie hergekommen war.
Mit klammen Fingern tastete sie in ihrer Jackentasche nach dem Eisenkrautzweiglein. „Kann schon sein, Tyler. Aber ich bleibe lieber hier.“
„Bist du wirklich sicher? Ein Friedhof kann ein gefährlicher Ort sein, wenn man ganz allein ist.“ Ruhelose Geister, dachte Meredith. Sie schaute ihn gerade an. „Ich weiß.“
Er grinste schon wieder und zeigte seine kräftigen Zähne.
„Außerdem kannst du den Grabstein von hier sehen, wenn du gute Augen hast. Schau dorthin, zum alten Friedhof. Nun, erkennst du etwas Rotschimmerndes in der Mitte?“ „Nein.“
Über den Bäumen im Osten hing ein bleicher Schein. Meredith hielt den Blick darauf gerichtet.
„Nun komm schon, Meredith. Du gibst dir gar keine Mühe.
Wenn der Mond erst aufgegangen ist, wirst du es besser sehen.“ „Tyler, ich kann nicht länger meine Zeit hier verschwenden. Ich gehe.“
„Nein, das tust du nicht!“ fuhr er sie an. Und während sich ihre Finger über dem Eisenkraut zur Faust schlossen,
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