Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
in die Ferne. Die einzige Bewegung war ein leichtes, anhaltendes Zittern in den rheumatischen Händen auf den Lehnen des Rollstuhls. Egal, was Stefan und Meredith auch versuchten, das war die einzige Reaktion, die sie hervorlocken konnten. Schließlich versuchte es Bonnie und benutzte ihre telepathischen Kräfte. Sie konnte etwas in dem alten Mann spüren, einen Funken Leben, der in dem alten Körper gefangengehalten wurde. Aber sie konnte ihn nicht erreichen.
„Tut mir leid.“ Sie setzte sich zurück und strich sich das Haar aus der Stirn. „Es hat keinen Zweck. Ich kann nichts machen.“ „Vielleicht klappt's beim nächste Mal“, tröstete Matt sie, doch Bonnie wußte, daß das nur leere Worte waren. Stefan würde morgen fortgehen, es würde kein nächstes Mal geben.
Dabei war es doch am Anfang eine so gute Idee gewesen... Die Wärme, die sie vorhin erfüllt hatte, war jetzt zu kalter Asche geworden, ihr Herz ein Klumpen Blei. Sie wandte sich ab und sah, daß Stefan bereits aus dem Zimmer gehen wollte.
Niedergeschlagen und mit gesenktem Kopf blieb Bonnie ungefähr eine Minute stehen. Es war plötzlich unendlich schwer, genug Energie zu finden, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Erst als sie Matts sanften Griff an ihrem Ellbogen fühlte, riß sie sich zusammen. Müde sah sie sich um, ob Meredith ihnen folgte...
Und schrie auf. Meredith stand mitten im Zimmer, zur Tür gewandt. Die Enttäuschung stand ihr klar im Gesicht geschrieben. Aber hinter ihr hatte sich die Gestalt im Rollstuhl endlich gerührt. In einer wahren Explosion von Bewegungen hatte er sich aus seinem Rollstuhl hochgerissen, die alten Augen weit aufgerissen und den Mund geöffnet. Meredith'
Großvater sah aus, als wollte er jemanden anspringen. Er hatte die Arme ausgestreckt. Seine Lippen formten sich zu einem stummen Heulen. Bonnies Schreie hallten von den Wänden wider.
Dann passierte alles auf einmal. Stefan kam zurückgelaufen, Meredith fuhr herum, Matt griff nach Bonnie. Aber der Alte sprang nicht. Er stand da, sie alle überragend, schaute über ihre Köpfe hinweg und schien etwas zu sehen, das keiner sonst sehen konnte. Endlich kamen Laute aus seinem Mund und formten sich zu einem langgezogenen Wort.
„Vaaampiiir!“ Pfleger und Krankenschwestern eilten ins Zimmer, drängten Bonnie und die anderen beiseite und versuchten,
den Alten zurückzuhalten. Ihre Rufe mischten sich in den Höllenlärm. „Vampir! Vampir!“ heulte Meredith' Großvater, als wollte er die ganze Stadt warnen. Bonnie fühlte, wie Panik in ihr aufstieg. Sah er dabei etwa Stefan an? War es eine Anschuldigung?
„Bitte, Sie müssen jetzt gehen. Es tut mir leid, aber Sie müssen gehen“, wiederholte eine Krankenschwester andauernd. Sie wurden auf den Flur gedrängt. Meredith kämpfte, während sie aus dem Zimmer gezerrt wurde. „Großvater...!“
„Vampir!“ Die entsetzliche Stimme hörte nicht auf. Und dann:
„Weißes Eschenholz! Vampir! Weißes Eschenholz... “ Die Tür schlug zu.
Meredith keuchte und kämpfte mit den Tränen. Bonnie hatte ihre Fingernägel in Matts Arm gegraben. Stefan drehte sich zu ihnen um, die grünen Augen vor Schock weit aufgerissen.
„Ich sagte, Sie müssen jetzt gehen.“ Die überlastete Schwester wurde ungeduldig. Die vier kümmerten sich jedoch nicht um sie. Sie sahen einander an, während die lähmende Verwirrung langsam wich und sich Verständnis auf ihren Gesichtern ausbreitete.
„Tyler sagte, es gäbe nur ein Holz, daß ihn verletzen könnte...“
begann Matt.
„Weißes Eschenholz“, ergänzte Stefan. „Wir müssen herausfinden, wo Klaus sich versteckt“, sagte Stefan auf der Heimfahrt. Er fuhr, denn Meredith hatte die Wagenschlüssel an der Autotür einfach fallen lassen. „Das ist das erste. Wenn wir jetzt die Sache überstürzen, könnten wir ihn warnen.“ Seine grünen Augen glänzten in einer merkwürdigen Mischung aus Triumph und grimmiger Entschlossenheit. Er sprach klar, kurz und schnell. Wir stehen alle mit unseren Nerven auf der Kippe, dachte Bonnie. Als hätten wir die ganze Nacht Aufputschmittel geschluckt. In einer solchen Stimmung konnte alles passieren.
Außerdem spürte sie, daß ein gewaltiges Ereignis bevorstand.
Heute nacht, dachte sie. Heute nacht wird alles geschehen. Es schien merkwürdig passend, daß dies der Abend der Sonnenwende war. „Der Abend von was?“ fragte Matt. Bonnie war nicht einmal aufgefallen, daß sie laut gesprochen hatte.
„Der Abend der Sonnenwende“,
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