Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
Elenas Gesicht auf, und Stefano wiederholte: »Matt.«
»Und was ist mit mir? Oder bin ich unsichtbar?«, fragte Caroline von der Tür.
Sie klang durchaus ruhig, aber Bonnie wusste, dass Caroline mit den Zähnen knirschen musste, wenn sie nur sah, dass Stefano und Elena zusammen und außer Gefahr waren.
»Du hast recht. Tut mir leid«, erwiderte Stefano und tat etwas, mit dem kein gewöhnlicher Achtzehnjähriger durchgekommen wäre, ohne wie ein Idiot auszusehen. Er nahm Carolines Hand und küsste sie anmutig und natürlich, als sei er ein Graf aus einer Zeit, die über ein halbes Jahrtausend zurücklag. Was er natürlich mehr oder weniger auch ist, dachte Bonnie.
Caroline wirkte eine Spur selbstgefällig - Stefano hatte sich mit dem Handkuss Zeit gelassen. Jetzt sagte er: »Und - last, but not least - diese sonnengebräunte Schönheit hier ist Caroline.« Dann fügte er sehr sanft und in einem Tonfall, den Bonnie im Laufe ihrer Bekanntschaft nur wenige Male bei ihm gehört hatte, hinzu:
»Erinnerst du dich nicht an sie, Liebste? Sie sind beinahe für dich gestorben - und für mich.« Elena schwebte mühelos über dem Boden, jetzt in einer stehenden Position, und sie hüpfte auf und ab wie ein Schwimmer, der versuchte, still zu halten.
»Wir haben es getan, weil ihr uns am Herzen liegt«, bemerkte Bonnie und streckte abermals die Arme aus, um ihre Freundin an sich zu ziehen. »Aber wir haben nie damit gerechnet, dass wir dich zurückbekommen würden, Elena.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Du bist zu uns zurückgekommen. Kennst du uns denn nicht mehr?«
Elena schwebte abwärts, bis sie sich direkt vor Bonnie befand.
Auf ihrem Gesicht war noch immer kein Zeichen von Wiedererkennen zu sehen, aber dafür lag etwas anderes darin. Es war eine Art von grenzenloser Barmherzigkeit und Ruhe. Elena verströmte einen so beruhigenden Frieden und eine so bedingungslose Liebe, dass Bonnie tief einatmete und die Augen schloss.
Sie konnte es spüren wie den Sonnenschein auf dem Gesicht, wie den Ozean in ihren Ohren. Nach einigen Momenten begriff Bonnie, dass sie Gefahr lief, angesichts des puren Gefühls von Güte in Tränen auszubrechen - ein Wort, das heutzutage so gut wie gar nicht mehr benutzt wurde. Aber manche Dinge konnten noch immer einfach und unverbrüchlich gut sein.
Elena war gut.
Und dann schwebte Elena nach einer sanften Berührung von Bonnies Schulter auf Caroline zu. Sie streckte die Arme aus.
Caroline wirkte verwirrt. Eine scharlachrote Woge schoss ihren Hals hinauf.
Bonnie sah es, verstand es jedoch nicht. Sie hatten alle Gelegenheit gehabt, Elenas Aura wahrzunehmen. Und Caroline und Elena waren tatsächlich enge Freundinnen gewesen, ihre Rivalität war stets freundschaftlich - bis Stefano gekommen war. Es war gut von Elena, Caroline als Erste zu umarmen.
Und dann schob Elena sich in Carolines hastig erhobene Arme, und gerade als Caroline anhob zu sagen: »Ich habe ...«, küsste sie sie auf den Mund. Es war kein flüchtiges Küsschen. Elena schlang die Arme um Carolines Hals und klammerte sich an sie. Endlos scheinende Sekunden stand Caroline wie unter Schock stocksteif da. Dann prallte sie zurück und wehrte sich, zuerst schwach und dann so heftig, dass Elena mit weit aufgerissenen Augen rückwärts durch die Luft flog.
Stefano fing sie auf.
»Was zur Hölle ...?« Caroline wischte sich hektisch den Mund ab.
»Caroline!« Stefanos grimmige Stimme verriet Beschützerinstinkt. »Es bedeutet nicht das, was du denkst. Es hat überhaupt nichts mit Sex zu tun. Sie identifiziert dich lediglich, lernt, wer du bist. Jetzt, da sie zu uns zurückgekommen ist, muss sie das tun.«
»Präriehunde«, bemerkte Meredith in dem kühlen, leicht distanzierten Tonfall, den sie oft wählte, um die Temperatur in einem Raum abzusenken. »Präriehunde küssen sich, wenn sie sich begegnen. Es bewirkt genau das, was du gesagt hast, Stefano, es hilft ihnen, spezifische Individuen zu identifizieren ...«
Meredith' Fähigkeit, für Abkühlung zu sorgen, stieß in Carolines Fall jedoch auf ihre Grenzen. Es war eine schlechte Idee gewesen, sich über den Mund zu wischen; sie hatte scharlachroten Lippenstift rund um ihre Lippen verschmiert, sodass sie jetzt aussah wie Draculas Braut. »Bist du wahnsinnig? Wofür hältst du mich? Bloß weil ein paar Hamster es tun, ist es okay?« Eine fleckige Röte überzog ihr Gesicht, vom Hals bis zu den Haarwurzeln.
»Präriehunde. Nicht Hamster.«
»Oh, wen schert ...«
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