Tagebuch für Nikolas
würde wegen meines geschädigten Herzens eine Risikoschwangerschaft haben, aber das war mir egal. Vielleicht wusste ich irgendwo tief in mir, dass eines Tages du da sein würdest. Ein Hoffnungsschimmer. Ein inniger Wunsch. Oder nur die schiere Unvermeidlichkeit dessen, was die Liebe zwischen zwei Menschen bringen kann.
Dich - sie hat dich gebracht.
Schlimme Dinge passieren einfach, Nikolas. Manchmal machen sie überhaupt keinen Sinn. Manchmal sind sie unfair. Manchmal sind sie einfach eine verdammte, himmelschreiende Gemeinheit.
Der rote Pickup ist mit kreischenden Reifen und rund hundert Stundenkilometern um die Ecke gerast, aber die ganze Sache schien sich in Zeitlupe abzuspielen.
Gus überquerte gerade die Straße auf dem Weg zum Strand, wo er gerne die Wellen jagte und die Seemöwen verbellte. Schlechtes Timing.
Ich sah alles. Ich öffnete den Mund, um zu rufen, ihn zu warnen, aber es war zu spät.
Der Pickup kam wie ein dunkler Fleck um die Kurve geschossen, die man nicht einsehen kann. Ich konnte beinahe das Gummi der Reifen riechen, als sie kreischend über den heißen Asphalt rutschten; dann musste ich zusehen, wie die vordere, linke Stoßstange Gus erfasste.
Eine Sekunde später, und er wäre außer Reichweite dieser unnachgiebigen Stoßstange aus Metall gewesen.
Zehn Stundenkilometer weniger, und der Pickup hätte ihn verpasst.
Oder vielleicht, wenn Gus ein paar Jahre jünger gewesen wäre, in seiner besten Zeit - vielleicht wäre es dann nicht passiert.
Es war wie ein Albtraum, unwiderruflich, wie ein Felsen, der auf die Windschutzscheibe eines vorbeifahrenden Wagens fällt.
Dann war es vorbei, war geschehen, und Gus lag wie ein weggeworfener Lumpen am Straßenrand. Es war unendlich traurig. Er war so wehrlos gewesen, und nur Sekunden zuvor noch so unbeschwert und fröhlich, als er auf das Wasser zulief.
»Nein!«, schrie ich gellend. Der Laster hatte angehalten, und zwei Männer um die zwanzig mit stoppeligem Gesicht stiegen aus. Sie trugen bunte Halstücher. Sie starrten auf das, was ihr schweres Fahrzeug angerichtet hatte.
»O Mann, tut mir Leid, ich hab ihn nicht gesehen«, stammelte der Fahrer und zupfte an seinen Jeans, während er den armen Gus betrachtete.
Ich hatte keine Zeit, nachzudenken, zu diskutieren, den Mann anzuschreien. Ich musste Hilfe für Gus besorgen.
Ich warf dem Fahrer meine Schlüssel zu. »Öffnen Sie die Hecktür meines Jeeps.« Ich nahm Gus vorsichtig auf dem Arm. Er war lahm und schwer, aber er atmete noch, war noch Gus.
Ich legte ihn hinten in den Jeep, blutend und hilflos. Seine sanften, vertrauten Augen waren so weit entfernt wie die Wolken. Dann sah er mich direkt an. Er wimmerte erbärmlich, und es brach mir das Herz.
»Stirb nicht, Gus«, flüsterte ich. »Halt durch, Junge«, sagte ich, als ich aus meiner Ausfahrt fuhr. »Bitte, verlass mich nicht.«
Ich rief Matt übers Handy an, und er kam umgehend zur Tierärztin. Dr. Pugatch kümmerte sich sofort um Gus, vielleicht weil sie den verzweifelten Ausdruck auf meinem Gesicht sah.
»Der Laster ist viel zu schnell gefahren, Matt«, erklärte ich ihm. Ich durchlebte die Szene noch einmal und sah jedes Detail vor mir. Matt war noch wütender als ich.
»Es ist diese verdammte Kurve. Jedes Mal, wenn du herausfährst, mache ich mir Sorgen. Ich muss dir unbedingt eine neue Ausfahrt auf der anderen Seite des Hauses anlegen. Auf die Weise kannst du die Straße überblicken.«
»Das ist alles so schrecklich. Gus war da gewesen, als ich …« Ich hielt inne. Ich hatte Matt immer noch nichts von meinem Herzanfall erzählt. Gus wusste es, aber Matt nicht. Ich musste es ihm bald erzählen.
»Pssst, es ist in Ordnung, Suzanne. Es wird alles gut.« Matt hielt mich fest, und obwohl nichts in Ordnung war, war es so gut, wie es nur sein konnte. Ich drückte mich an seine Brust. Dann spürte ich, dass auch Matt ein wenig zitterte. Auch er war Gus nahe gekommen und hatte ihn lieb gewonnen.
Zwei Stunden später kam die Tierärztin aus dem Behandlungszimmer. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bevor sie etwas sagte. Nun wusste ich, wie meine eigenen Patienten sich fühlen mussten, wenn ich zögerte oder wenn mir die Worte fehlten. Ihre Gesichter erscheinen ruhig, doch ihre Körper verraten etwas anderes. Sie betteln darum, durch gute Nachrichten von ihren Ängsten erlöst zu werden.
»Suzanne, Matt…«, begann Dr. Pugatch schließlich. »Es tut mir Leid. Es tut mir sehr Leid. Gus hat es nicht geschafft.«
Ich brach in
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