Tagebuch für Nikolas
Tränen aus, und mein ganzer Körper bebte. Gus war immer bei mir gewesen, stets für mich da gewesen. Er war mein Kumpel, mein Zimmergenosse, mein Joggingpartner, mein Vertrauter. Wir waren vierzehn Jahre lang zusammen gewesen.
Manchmal geschehen schlimme Dinge, Nikolas.
Denk immer daran, aber vergiss nie, dass du weitermachen musst - irgendwie.
Du nimmst einfach den Kopf hoch und schaust dir etwas Schönes an, den Himmel oder das Meer, und dann, verdammt, machst du weiter.
Lieber Nikolas,
am nächsten Tag kam unerwartet ein Brief.
Ich weiß nicht, warum ich ihn aufgerissen und gelesen habe. Ich stand nur da und wunderte mich, warum Matt Harrison mir einen Brief geschrieben hatte, wo er nur zum Telefon hätte zu greifen brauchen oder herkommen konnte.
Ich stand am Ende der Auffahrt vor dem verwitterten, einstmals weißen Briefkasten. Ich öffnete sorgfältig den Brief und hielt ihn gut fest, sodass er nicht vom Meereswind fortgeweht werden konnte.
Anstatt zu umschreiben, was in dem Brief stand, füge ich ihn lieber ins Tagebuch ein.
Liebe Suzanne,
Du bist der Duft von Nelken
Licht in einem dunklen Raum.
Der Duft von Kiefern
Weit weg von Maine.
Du bist der Mond,
zur Mitternacht.
Bist wie das Wasser
Ursprung alles Lebens.
Du bist ein Kompass
Ein Saphir
Ein Lesezeichen
Eine seltene Münze
Ein glatter Stein Eine
blaue Murmel.
Du bist eine alte Sage
Eine kleine Muschel
Ein aufgesparter Silberdollar,
Du bist ein feiner Quarz
Ein Federkiel
Eine Kette an einer Lieblingsuhr.
Du bist ein Valentinsgruß,
Zerfleddert, geliebt, hundertmal gelesen,
Du bist die goldene Münze eines Helden
Der einst besungen wurde.
Du bist Honig
Und Zimt
Und Gewürz aus Westindien,
Vom Schiff des Marco Polo.
Du bist eine Rose
Ein Perlring
Ein roter Parfümflacon
Gefunden am Ufer des Nil.
Du bist eine alte Seele von einem uralten Ort
Tausend Jahre und Jahrhunderte und Jahrtausende alt,
Und du bist diesen langen weiten Weg gekommen,
Nur damit ich dich lieben konnte.
Und ich liebe dich.
Matt
Was kann ich sagen, Nikolas, was dein lieber Vater nicht besser sagen kann? Er ist ein wunderbarer Schriftsteller, und ich bin mir nicht einmal sicher, dass er es weiß.
Ich liebe ihn so sehr.
Wer würde das nicht?
Hallo, Nicky.
Ich rief Matt sehr früh am nächsten Morgen an, so früh, wie ich es wagte, gegen Viertel nach sieben. Ich war bereits um kurz nach vier aufgestanden, denn ich wusste, dass ich ihn anrufen musste, und hatte sogar geprobt, was ich sagen sollte, und wie. Ich weiß nicht sehr gut, wie man unehrlich ist oder Menschen manipuliert. Das ist manchmal ein großer Nachteil für mich.
Es war hart.
Es war unmöglich.
»Hi, Matt. Suzanne am Apparat. Ich hoffe, ich rufe nicht zu früh an. Kannst du heute Abend vorbeikommen?« Das war alles, was ich zustande brachte.
»Natürlich. Ich wollte dich sowieso gerade anrufen und dich darum bitten.«
Matt kam kurz nach sieben Uhr abends. Er trug ein gelbes, bunt kariertes Hemd und eine marineblaue Hose - ziemlich förmliche Kleidung für seine Verhältnisse.
»Willst du einen Strandspaziergang mit mir machen, Suzanne? Den Sonnenuntergang anschauen?«
Genau das wollte ich. Er konnte meine Gedanken lesen.
Sobald wir die Strandstraße überquert hatten und unsere bloßen Füße in den noch warmen Sand sanken, sagte ich zu Matt: »Es gibt da etwas, was ich dir sagen muss.«
Er lächelte. »Nur zu. Ich höre immer gern den Klang deiner Stimme.«
Armer Matt. Ich bezweifelte, dass er auch den Klang dessen gern hören würde, was als Nächstes kam.
»Es gibt da etwas, das ich dir schon seit längerer Zeit erzählen wollte. Ich habe es immer wieder vor mir hergeschoben. Ich weiß nicht einmal, wie ich das Thema anschneiden soll …«
Er nahm meine Hand und ließ sie sanft im Rhythmus unserer Schritte schwingen. »Nur raus damit. Mach einfach weiter, Suzanne.«
»Warum bist du heute so schick angezogen?« Mir fiel nichts Besseres ein.
»Ich bin so schick angezogen, weil ich ein Rendezvous mit der tollsten Frau auf der ganzen Insel habe. Wolltest du darüber mit mir sprechen? Und da wusstest du nicht, wie du das Thema anschneiden sollst?«
Ich drückte leicht seine Hand. »Nicht ganz. Nein, das ist es nicht. Also gut …«
»Jetzt machst du mir doch ein bisschen Angst«, sagte Matt schließlich.
»Es tut mir Leid«, flüsterte ich. »Wirklich. Matt, direkt bevor ich nach Martha’s Vineyard gekommen bin …«
»Hattest du einen Herzanfall, ich weiß«,
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