Tagebuch für Nikolas
geschlagen. Das hatte sie nicht einmal ansatzweise kommen sehen. Es erschien ihr unbegreiflich, beinahe unmöglich, dass Matt sie verlassen hatte.
Verdammter Kerl! Wie konnte er nur! Hatte er sie die ganze Zeit nur angelogen? Monatelang? Natürlich, was denn sonst! Dieser Hundesohn. Dieser Scheißkerl.
Katie wollte über Matt nachdenken und darüber, was sie auseinander gebracht hatte - doch am Ende dachte sie immer nur an die Zeiten, die sie gemeinsam verbracht hatten. Zumeist waren es gute Zeiten gewesen.
Widerstrebend musste sie zugeben, dass sie stets frei und ungezwungen über alles mit ihm hatte reden können. Ja, mit Matt konnte sie reden wie mit ihren besten Freundinnen. Und auch die mochten Matt, obwohl sie boshaft sein konnten und im Unterschied zu Katie meist großes Glück mit Männern hatten.
Was war mit ihr und Matt passiert?
Katie wollte es unbedingt wissen.
Matt war aufmerksam … war es gewesen. Katie hatte im Juni Geburtstag, und Matt hatte ihr an diesem Tag des Monats, den er ihren »Geburtstagsmonat« nannte, eine Rose geschickt. Und immer schien er zu wissen, ob sie eine bestimmte Bluse, einen Pullover oder Schuhe schon einmal getragen hatte … Und er kannte ihre Stimmungen, die guten, die schlechten und manchmal auch die hässlichen.
Matt gefielen viele Dinge, die auch Katie gefielen - hatte er zumindest behauptet. Ally McBeal, Die Geisha, Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Abendessen, ein paar Drinks in der Bar. Im One if By Land, Two if By Sea. Oder im Waterlo im West Village. Oder im Coup im East Village. Oder Bubby’s in der Hudson Street. Er stand auf ausländische Filme im Lincoln Plaza Cinema. Und auf schwarzweiße Künstlerfotos. Und auf Ölgemälde, die sie auf Flohmärkten entdeckten. Und er liebte Ausflüge nach NoLita (Nördlich von Little Italy) und nach Williamsburg (das neue SoHo).
Sonntags ging er mit Katie zur Kirche, wo sie eine Bibelstunde für Vorschulkinder gab. Beiden waren die Sonntagnachmittage in ihrer Wohnung besonders wertvoll - Katie las die New York Times von der ersten bis zur letzten Seite, und Matt überarbeitete seine Gedichte, die er auf ihrem Bett, auf dem Fußboden des Schlafzimmers und sogar auf dem hölzernen Küchentisch ausbreitete.
Im Hintergrund lief Tracy Chapman, Macy Gray oder Sarah Vaughn. Wundervoll. In jeder Hinsicht perfekt.
Katie hatte es Matt zu verdanken, dass sie mit sich selbst im Reinen war. Matt vollendete ihren Lebenskreis; er sorgte irgendwie dafür, dass alles gut und richtig war. Noch nie hatte Katie sich bei jemandem so wundervoll gefühlt. Vollkommen glücklich und zufrieden.
Was könnte schöner sein, als Matt zu lieben?
Es gab nichts Schöneres. Nicht für Katie.
Eines Abends waren sie in eine kleine Tanzbar in der Avenue A gegangen, und Matt hatte eine unwahrscheinlich gute Elvis-Imitation zum Besten gegeben und ihr »All Shook Up« ins Ohr gesungen und dann AI Green imitiert, sogar noch besser als Elvis. Katie war hin und weg.
Sie wollte, dass er die ganze Zeit bei ihr war.
Sentimental, aber so war es nun mal.
Wenn Matt auf Martha’s Vineyard war, wo er wohnte und arbeitete, führten sie jede Nacht stundenlange Telefongespräche oder schickten sich E-Mails. Sie nannten es ihre »Fern-Affäre«. Matt hatte Katie allerdings stets davon abgebracht, ihn auf Martha’s Vineyard zu besuchen. Vielleicht hätte das ein Frühwarnsignal sein sollen?
Irgendwie hatte es funktioniert - elf wundervolle Monate lang, die wie im Nu verflogen waren. Katie hatte damit gerechnet, dass Matt ihr bald einen Heiratsantrag machte. Sie war sich ihrer Sache sicher gewesen. Sie hatte es sogar ihrer Mutter erzählt. Natürlich hatte sie sich, was das betraf, so schrecklich getäuscht, dass es bemitleidenswert war. Sie kam sich wie eine Idiotin vor, und sie hasste sich dafür.
Wie hatte sie nur so blind sein und sich so sehr in Matt täuschen können? In allem? Sie verlor doch sonst nicht die Verbindung zu ihrer inneren Stimme, ihren gesunden Instinkten. Sie war klug, und sie machte selten Dummheiten.
Bis jetzt.
Aber diesmal hatte sie wirklich einen kapitalen Bock geschossen.
Katie merkte plötzlich, dass sie die ganze Zeit geschluchzt hatte und dass jeder, der auf dem Bootsdeck in ihrer Nähe saß, sie anstarrte.
»Es tut mir Leid«, sagte sie und machte eine Geste, dass die Leute wegschauen sollten. Sie errötete. Es war ihr peinlich, und sie kam sich dumm und hilflos vor. »Alles in Ordnung«, sagte sie zu den Gaffern. Aber es war
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