Tagebuch für Nikolas
Suzannes Hund, von einem roten Laster überfahren worden war.
Sie setzte sich an den Strand, wo Matt und Suzanne im Mondlicht getanzt hatten. Sie konnte die beiden sehen. Und dann stellte sie sich vor, wie sie selbst wieder mit Matt tanzte. Er war kein großartiger Tänzer, aber sie war immer sehr gerne in seinen starken Armen gewesen. Sie gab es jetzt nicht gern zu, doch so war es, und so würde es immer sein.
Katie glaubte, den größten Teil des Rätsels gelöst zu haben: Matt konnte Suzanne und Nikolas nicht aus dem Kopf bekommen, konnte seinen Schmerz und seine Trauer nicht überwinden. Wahrscheinlich glaubte er, es niemals zu schaffen. Vielleicht konnte er den Gedanken nicht ertragen, noch einmal jemanden zu verlieren. Er hatte seine Frau und seinen kleinen Sohn verloren, und auch seinen Vater, als er noch ein kleiner Junge war.
Katie konnte ihm keine Vorwürfe machen, wirklich nicht. Nicht, nachdem sie das Tagebuch gelesen und erkannt hatte, was er durchgemacht hatte. Falls überhaupt - und das tat ihr beinahe körperlich weh - liebte sie Matt jetzt noch mehr als zuvor.
Katie hob den Kopf und sah eine kleine, dunkelhaarige Frau in einem blassblauen Kleid. Barfuß kam sie über die Beach Road direkt auf sie zu. Katie konnte den Blick nicht von ihr nehmen.
Als die Frau fast bei ihr angekommen war, sagte Katie: »Sie sind Melanie Bone, nicht wahr?«
Melanie hatte ein freundliches Lächeln, genau wie Katie es sich vorgestellt hatte.
»Und Sie sind Katie«, sagte Melanie. »Sie sind Matthews Lektorin in New York. Er hat mir von Ihnen erzählt. Er hat gesagt, dass Sie gertenschlank und hübsch sind und dass Sie Ihr dunkles Haar gewöhnlich als Zopf tragen, aber dass Ihnen manchmal lose Strähnen über die Wangen fallen.«
Katie wollte Melanie sehr gerne fragen, was Matt sonst noch über sie erzählt hatte, aber sie tat es nicht, sie konnte nicht. »Wissen Sie, wo er ist?«, fragte sie.
Melanie zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Er ist nicht da. Tut mir Leid, Katie. Ich weiß nicht, wo er ist. Genau genommen machen wir uns alle Sorgen um ihn. Ich hatte gehofft, dass er bei Ihnen in New York ist.«
»Leider nicht«, sagte Katie. »Ich habe ihn auch nicht gesehen.«
Am späten Nachmittag fuhr Melanie Katie zum Fähranleger in Oak Bluffs zurück. Vier, Drei, Zwei und Eins fuhren hinten im Kombi mit. Die Kinder waren genau so gutmütig wie ihre Mutter. Sie mochten Katie auf Anhieb, und Katie mochte sie.
»Geben Sie Matt nicht auf«, bat Melanie, kurz bevor Katie an Bord der Islander ging. »Er ist alle Mühen wert. Von allen Menschen, die ich kenne, hat Matt das Schlimmste durchgemacht. Aber ich glaube, er wird sich davon erholen. Er ist ein guter Mensch. Und sehr geschickt bei allen Arbeiten im Haus. Und ich weiß, dass er Sie liebt, Katie.«
Katie nickte und winkte der Familie Bone zum Abschied. Dann verließ sie Martha’s Vineyard, wie sie gekommen war - allein.
EINE WEITERE LANGE, schlimme Woche verging. Katie stürzte sich tief in die Arbeit, dachte aber viel darüber nach, nach North Carolina zurückzukehren. Für immer. Dort würde sie das Baby bekommen, bei den Menschen, die sie liebte und von denen sie geliebt wurde.
An jenem Montagmorgen war Katie noch nicht lange im Büro, als sie ihren Namen hörte.
Sie hatte gerade ihren Tee aus dem blauen Pappbecher von Le Croissant in die alte Porzellantasse umgegossen, die sie auf ihrem Schreibtisch stehen hatte. Die Übelkeit in ihrem Magen war an diesem Morgen nicht allzu schlimm. Oder vielleicht gewöhnte sie sich auch nur daran.
»Katie? Komm mal ganz schnell rüber, Katie! Jetzt gleich.«
Sie war leicht genervt. »Was ist denn? Ich komme ja schon. Nur langsam mit den jungen Pferden.«
Mary Jordan, ihre Assistentin, stand hinter einem der deckenhohen Fenster und schaute auf die Dreiundfünfzigste Straße hinunter. Sie winkte Katie aufgeregt zu, zum Fenster zu kommen. »Jetzt komm schon!«
Neugierig ging Katie zum Fenster hinüber und sah auf die Straße hinab. Sie übergoss sich mit heißem Tee und ließ beinahe ihre antike Tasse fallen, bis Mary danach griff und sie Katie geschickt aus der Hand nahm.
Da ging Katie schon an Mary vorbei den kurzen Flur an den Verlagsbüros entlang zum Aufzug. Sie hatte weiche Knie, und alles drehte sich in ihrem Kopf. Sie strich sich lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie wusste sonst nicht, wohin mit ihren Händen.
Sie ging am Herausgeber und Besitzer des Verlages vorbei, der gerade aus dem Aufzug
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