Tagebuch für Nikolas
Platz, wo ich Frieden finden kann. Irgendwie lande ich jedes Mal in deinem Zimmer, und ich sitze dann in demselben Schaukelstuhl, in dem Mommy immer saß, wenn sie mit dir redete und dir etwas vorlas und dir ihre ulkigen Reime aufsagte.
Und so sitze ich jetzt hier und schaue mir die Bilder von uns an, die ich heute Nachmittag endlich in Chilmark abgeholt habe.
Wir sitzen alle drei unter einem perfekten blauen Himmel vor dem Flying Horses Carousel. Mommy hat ihren Arm um dich, Nicky, und ihre Beine quer über die meinen gelegt. Du küsst Mommy, und ich kitzle dich, und alle lachen, und es ist so schön.
Nikolas, Suzanne, Matt - für immer vereint.
Nick,
es ist an der Zeit, dir eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die ich nur dir erzählen werde. Sie ist nur für uns beide bestimmt.
Von Mann zu Mann, kleiner Kumpel. Eigentlich ist es die traurigste Geschichte, die ich je gehört habe, ganz bestimmt die traurigste Geschichte der Welt.
Es fällt mir schwer zu atmen, ich zittere, und ich habe am ganzen Körper eine Gänsehaut.
Vor langer Zeit, als ich erst acht Jahre alt war, starb ganz plötzlich mein Vater, als er auf der Arbeit war. Wir hatten nicht damit gerechnet, natürlich nicht, und deshalb konnten wir uns nie von ihm verabschieden. Der Tod meines Vaters hat mich jahrelang verfolgt. Ich hatte schreckliche Angst davor, noch einmal jemanden auf diese Weise zu verlieren. Ich glaube, das ist auch der Grund, dass ich nicht schon früher geheiratet habe, bevor ich Suzanne kennen lernte. Ich hatte Angst, Nicky. Der große, starke Daddy hatte furchtbare Angst, dass er jemanden verlieren könnte, den er liebt. Das ist ein Geheimnis, das ich noch nie jemandem verraten habe, bevor ich deine Mutter kennen lernte. Und nun habe ich es dir erzählt.
Ich ziehe an der Kordel der Spieluhr über deiner Krippe, und sie spielt »Whistle A Happy Tune«. Ich liebe dieses Lied, Nicky. Es bringt mich zum Weinen, aber das ist mir egal. Ich liebe deine Musik, und ich möchte sie wieder hören.
Ich strecke die Hand in die Krippe und berühre deine weiche Wange.
Ich spiele mit deinem goldblonden Haar, das so weich ist und so gut duftet. Ich wünschte, ich hätte auf Mommy gehört und es nie abgeschnitten.
Ich spiele Nase-an-Nase, und meine Nase berührt ganz sanft deine. Ich spiele noch einmal Nase-an-Nase, und du strahlst mich an und lächelst. Ein Lächeln von dir ist für mich so viel wert wie das Universum. Das ist die Wahrheit.
Ich stecke einen Zeigefinger in jede deiner kleinen Hände und lass dich zudrücken. Du bist so stark, Kumpel.
Ich höre dein schönes Lachen, und beinahe muss auch ich lachen.
Die Spieluhr spielt immer noch »Whistle A Happy Tune«.
Ach, mein süßer kleiner Junge. Mein süßes Baby.
Die Musik spielt weiter, aber du bist gar nicht in der Krippe.
Ich erinnere mich, wie Mommy an jenem Morgen zu ihrer Besorgung aufbrach. Ich rief ihr zu: »Ich liebe dich«, und sie schickte mir einen Kuss. Dann zog sie die Nase kraus, wie sie es oft tat. Du weißt, was ich meine. Du kennst ihren Blick. Dann zwinkerte sie mir mit ihrem berühmten Zwinkern zu - ich kann es genau in diesem Augenblick vor mir sehen. Ich kann Suzanne sehen.
Ihre Arme waren voll, weil sie dich trug, mein süßes Baby. Sie wollte, dass du der Erste bist, der die schönen, gerahmten Fotos zu sehen bekommt. Also hat sie dich an deinem Geburtstagsmorgen in die Stadt mitgenommen.
Suzanne trug dich nach draußen und schnallte dich sorgfältig in deinem Kindersitz fest. Du warst im Jeep bei Mommy, als sie auf der Old Pond Bridge Road verunglückte. Ihr beide wart zusammen. Ich kann den Gedanken immer noch nicht ertragen.
Ich hätte dabei sein sollen, Nikolas. Ich hätte dort bei dir und Mommy sein sollen! Vielleicht hätte ich helfen können; vielleicht hätte ich dich irgendwie retten können. Wenigstens hätte ich es versuchen können, und das hätte mir alles bedeutet.
Ach, mein Schatz, ich muss dich noch einmal lachen hören. Ich sehne mich danach, in deine leuchtend blauen Augen zu schauen. Deine weiche Wange an meine zu schmiegen.
Mein lieber kleiner Junge, mein unschuldiger kleiner Schatz, mein Baby, mein Sohn. Du fehlst mir so sehr, und es bringt mich fast um den Verstand, dass du nie erfahren wirst, was ich fühle, dass du nie hören wirst, wie sehr dein Daddy dich liebt. Du fehlst mir so sehr, du fehlst mir so sehr, mein süßes Baby. Du wirst mir immer fehlen.
Aber ist es nicht ein Glück, dass ich dich gekannt habe,
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