Tagebücher 1909-1923
bewunderten, Le ute die ihn anerkannten, Leute die ihn duldeten und schließlich solche die nichts von ihm wissen wollten. Es bildet ja jeder Mensch selbst der nichtigste wenn man nur ordentlich zusieht den Mittelpunkt eines hier und dort zusammengedrehten Kreises, wie hätte es bei Gustav Blenkelt einem im Grunde besonders geselligen Menschen anders sein sollen?
Im 35 ten Lebensjahre dem letzten Jahre seines Lebens verkehrte er besonders häufig bei einem jungen Ehepaar namens Strong. Es ist gewiß daß für Herrn Strong, der eben mit dem
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Gelde seiner Frau eine Möbelhandlung eröffnet hatte, die Bekanntschaft Blenkelts verschiedene Vorteile hatte, da dieser die Hauptmasse seiner Bekannten unter jungen heiratsfähigen Leuten besaß, die früher oder später daran denken mußten, für sich eine neue Möbeleinrichtung zu beschaffen und die schon aus Gewohnheit Ratschläge Rlenkelts auch in dieser Richtung im allgemeinen nicht vernachlässigten. Ich halte sie an festen Zügeln pflegte Blenkelt zu sagen.
24 (September 1912) Meine Schwester sagte: Die Wohnung (in der Geschichte) ist der unsrigen sehr ähnlich. Ich sagte: wieso? Da müßte ja der Vater im Kloset wohnen.
25. (September 1912) Vom Schreiben mich mit Gewalt zurückgehalten. Mich im Bett gewälzt. Den Blutandrang zum Kopf und das nutzlose Vo rüberfließen. Was für
Schädlichkeiten! – Gestern bei Baum vorgelesen, vor den Baumischen, meinen Schwestern, Marta, Frau Dr. Bloch mit 2
Söhnen (einem Einjährig-Freiwilligen). Gegen Schluß fuhr mir meine Hand unregiert und wahrhaftig vor dem Gesicht herum.
Ich hatte Tränen in den Augen. Die Zweifellosigkeit der Geschichte bestätigte sich. – Heute abend mich vom Schreiben weggerissen. Kinematograph im Landesteater. Loge. Frl.
Oplatka, welche einmal ein Geistlicher verfolgte. Sie kam ganz naß von Angstschweiß nachhause. Danzig. Körners Leben. Die Pferde. Das weiße Pferd. Der Pulverrauch. Lützows wilde Jagd.
Als der 17 jährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von Newyork einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.
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"So hoch" sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehn dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an ihm vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben.
Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt flüchtig bekannt worden war sagte im Vorübergehn: Ja haben sie denn noch keine Lust auszusteigen? "Ich bin doch fertig" sagte Karl ihn anlachend und hob, aus Übermut und weil er ein starker Junge war, den Koffer auf die Achsel. Aber wie er über seinen Bekannten hinsah, der ein wenig seinen Stock schwenkend sich schon mit den andern entfernte, merkte er, daß er seinen Regenschirm unten im Schiff vergessen hatte. Er bat schnell den Bekannten, der nicht sehr beglückt schien, um die
Freundlichkeit, bei seinem Koffer einen Augenblick zu warten, überblickte schnell die Situation um sich bei der Rückkehr zurechtzufinden und eilte davon. Unten fand er zu seinem Bedauern einen Gang, der seinen Weg sehr verkürzt hätte, zum erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit der Ausschiffung sämtlicher Passagiere zusammenhieng, und mußte sich seinen Weg durch eine Unzahl kleiner Räume, fortwährend abbiegende Korridore, kurze Treppen, die einander aber immer wieder folgten ein leeres Zimmer mit einem verlassenen Schreibtisch mühselig suchen, bis er sich tatsächlich, da er diesen Weg nur ein oder zweimal und immer in größerer Gesellschaft gegangen war, ganz und gar verirrt hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er keinen Menschen traf und nur immerfort über sich das Scharren der tausend Menschenfüße hörte und von der Ferne wie einen Hauch das letzte Arbeiten der schon eingestellten Maschine merkte, fieng er ohne zu überlegen, an eine beliebige kleine Türe zu schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte.
"Es ist ja offen" rief es von innen und Karl öffnete mit ehrlichem Aufatmen die Tür. "Warum schlagen sie so verrückt auf die Tür?" fragte ein riesiger Mann, kaum daß er nach Karl hinsah.
Durch irgendeine Oberlichtluke fiel ein trübes oben im
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