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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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bescheidene Frau Kannegießer aus Tarnow, die nur zwei Decken wollte, aber schöne, und die doch nur, trotz Maxens Protektion alte und schmutzige bekommen hat, während die neuen guten Decken in einem separaten Zimmer lagen, in dem überhaupt alle guten Stücke für die bessern Leute aufbewahrt werden. Man wollte ihr die guten auch deshalb nicht geben, weil sie sie nur für 2 Tage brauchte, ehe ihre Wäsche von Wien kam und weil man gebrauchte Stücke wegen der Choleragefahr nicht zurücknehmen darf. – Frau Lustig mit vielen Kindern aller Größen und einer kleinen frechen, selbstsichern beweglichen Schwester. Sie sucht ein Kinderkleidchen solange aus, bis Frau Br. sie anschreit: "Jetzt nehmen Sie aber schon endlich dieses oder Sie bekommen keines. " Nun antwortet aber Fr. Lustig mit noch viel größerem Schreien und schließt mit einer großen wilden Handbewegung: "Die Mizwe ist doch mehr wert als diese ganzen Schmatten (Hadern)"
    25 XI 14 Leere Verzweiflung, unmöglich sich aufzustellen, erst bei der Zufriedenheit mit dem Leiden kann ich haltmachen.
    Ich habe fast kein unmittelbares Interesse an der Fabrik, desto mehr aber mittelbares. Ich will nicht daß des Vaters Geld, das er auf meinen Rat und meine Bitte K. zur Verfügung gestellt hat, verloren geht das ist meine erste Sorge, ich will nicht daß des Onkels Geld verloren geht, das er nicht so sehr K. als uns geborgt hat, das ist meine zweite Sorge und ich will auch nicht, daß E. und der K. Geld verloren geht, das ist meine dritte Sorge.
    Von meinem Geld und meiner Haftpflicht spreche ich gar nicht.
    Nun halte ich aber das Ganze durchaus nicht für mehr gefährdet,
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    als bei diesen Zeitumständen alles gefährdet ist. Ich habe natürlich auch vollständiges Vertrauen zu Euch; daß Du im Laufe des letzten 1/2 Jahres an 1500 K wenigstens nach dem Kassabuch entnommen hast, beirrt mich darin nicht im Geringsten, Du hast 400 K nach dem Kassabuch eingezahlt, wirst gewiß auch das übrige zurückzahlen und handelst wahrscheinlich im Sinne Karls. Allerdings wußte ich nichts davon, sondern erfuhr es erst aus dem Buch – es ist dort in der letzten Zeit übrigens kein Datum eingetragen – und war also aus diesem Grunde und weil doch in dieser Zeit die Gebarung der Fabrik besonders empfindlich ist, darüber erstaunt sonst nichts, ich war bloß erstaunt und habe es zur Kenntnis genommen.
    Damit war die Sache erledigt.
    Ich schicke voraus, daß ich der Berichterstattung von Elli nicht vollständig glaube, Du hast sie in große Aufregung gebracht, sie ist überdies jetzt während des Krieges in fortwährender Aufregung und darin verliert sie dann den Überblick. Selbst wenn ich aber vieles von dem was sie erzählt hat, als bloße Phantasie auffasse, so scheint doch genug übrig zu bleiben, um anzunehmen, daß Du sie, nebenbei gesagt hier vor den Mädchen, unerhört behandelt hast. Du hast vergessen daß sie eine Frau ist und daß sie die Frau Deines Bruders ist.
    "Sie hat hier aufgelauert und hat Dich dann hergeschickt. "
    Das ist eine Unwahrheit und eine beleidigende Unwahrheit. Ich glaube, Du hattest und hast die vollständigste Freiheit, die man sich nur ausdenken kann. Du arbeitest gewiß ausgezeichnet, daran habe ich gar keinen Zweifel. Die Sorgen, die ich um die Fabrik habe, sind ganz anderer Art als Deine, sie sind vollständig passiv, aber deshalb nicht weniger schwer. Du trägst die Verantwortung für die Arbeit (und trägst im Grunde nichts anderes als das) ich aber trage die Verantwortung für das Geld.
    Ich trage die Verantwortung gegenüber dem Vater und dem Onkel. Unterschätze das nicht, wäre es mein Geld, es wäre, glaube mir, kinderleicht für mich, die Sorge zu tragen. Aber ich
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    trage leider bloß die Sorgen, kann aber sonst aus Gründen, die allerdings hauptsächlich in mir liegen nicht selbst eingreifen.
    Alles was ich tue ist daß ich einmal im Monat herkomme und ein zwei Stunden hier sitze. Das ist an sich sinnlos, schadet und nützt niemandem und ist nur ein vergeblicher Versuch meinem Verantwortlichkeitsgefühl und meinen Sorgen zu entsprechen.
    Daß Du auch daran etwas auszusetzen findest, ist ebenso lächerlich als anmaßend. Ich bin nicht hergekommen um das Kassabuch anzusehn, das ist unwahr, trotzdem ich berechtigt und verpflichtet gewesen wäre, es zu tun; ich bin vielmehr hergekommen zu dem gleichen selbstsüchtigen Zweck, wie immer, nämlich um mich zu beruhigen; daß Du weg warst, wäre für mich eher eine Veranlassung

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