Tagebücher 1909-1923
Bretter dringender brauchen und besser bezahlen, außerdem hätte er selbst, solange die Bretter nicht geliefert seien, einen größern Wert für mich. Nun war er natürlich nicht dumm und wußte, daß ich seine Hintergedanken kannte, aber darin, daß ich diese Kenntnis nicht ausnützte, sah er seinen Vorteil und den wahrte er.
Alle Vorbereitungen aber, die ich machte, um die Hütte gegen die Tiere zu sichern und mich für den Winter zu verwahren, mußten eingestellt werden, als ich – das erste Vierteljahr meines Dienstes näherte sich seinem Ende – ernstlich krank wurde. Ich war bis dahin jahrelang von jeder Krankheit, selbst vom leichtesten Unwohlsein verschont geblieben, diesmal wurde ich krank. Es begann mit einem starken Husten. Etwa zwei Stunden landeinwärts von der Station entfernt, war ein kleiner Bach, aus dem ich in einem Faß auf einem Schubkarren meinen Wasservorrat zu holen pflegte. Ich badete dort auch öfters und dieser Husten war die Folge dessen. Die Hustenanfälle waren so
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stark, daß ich mich beim Husten zusammenkrümmen mußte, ich glaubte dem Husten nicht widerstehen zu können, wenn ich mich nicht zusammenkrümmte und
so alle Kräfte
zusammennahm. Ich dachte das Zugspersonal würde über den Husten entsetzt sein, aber sie kannten ihn, sie nannten ihn Wolfshusten. Seitdem begann ich das Heulen aus dem Husten herauszuhören. Ich saß auf dem Bänkchen vor der Hütte und begrüßte heulend den Zug, heulend begleitete ich seine Abfahrt.
In den Nächten kniete ich auf der Pritsche, statt zu liegen und drückte das Gesicht in die Felle, um mir wenigstens das Anhören des Heulens zu ersparen. Ich wartete gespannt, bis das Springen irgendeines wichtigern Blutgefäßes allem ein Ende machen würde. Es geschah aber nichts derartiges und der Husten war sogar in wenigen Tagen vergangen. Aber ein Fieber blieb zurück und verlor sich nicht.
Dieses Fieber machte mich sehr müde, ich verlor alle Widerstandskraft, es konnte geschehn, daß mir ganz unerwartet auf der Stirn Schweiß ausbrach, ich zitterte dann am ganzen Leib und mußte mich, wo ich auch war, niederlegen und warten bis sich die Sinne wiederzusammenfanden.
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Heft 10
4. (November 1914) Pepa zurück. Schreiend, aufgeregt, außer Rand und Band. Geschichte vom Maulwurf, der im
Schützengraben unter ihm bohrte und den er für ein göttliches Zeichen ansah, von dort wegzurücken. Kaum war er fort, traf ein Schuß einen Soldaten, der ihm nachgekrochen war und sich jetzt über dem Maulwurf befand. – Sein Hauptmann. Man sah deutlich, wie er gefangen genommen wurde. Am nächsten Tag fand man ihn aber nackt von Bajonetten durchbohrt im Wald.
Wahrscheinlich hatte er Geld bei sich, man hatte ihn durchsuchen und berauben wollen, er aber hatte "wie die Offiziere sind" sich nicht freiwillig anrühren lassen. – P. hat vor Wut und Aufregung fast geweint, als er auf dem Weg von der Bahn seinen Chef (den er früher maßlos und lächerlich verehrt hatte) traf, wie er elegant angezogen, parfümiert, mit umgehängtem Gucker ins Teater ging. Einen Monat später machte er es selbst mit einer Karte, die ihm dieser Chef geschenkt hatte. Er gieng zum "Ungetreuen Eckehart" einem Lustspiel. – Geschlafen einmal im Schloß des Fürsten Sapieha, einmal knapp vor österr. feuernden Batterien, wo er in der Reserve lag, einmal in einer Bauernstube, wo in den zwei Betten rechts und links an den Wänden je zwei Frauen, hinter dem Ofen ein Mädchen, und auf dem Fußboden acht Soldaten schliefen. – Strafe für Soldaten. Festgebunden an einem Baum stehn bis zum Blauwerden. Weil er z. B. die Karte meiner Schwester irgendwo gegen die Vorschrift hingegeben hatte, wo sie auch tatsächlich verloren gieng. –
12. (November 1914) Die Eltern die Dankbarkeit von ihren Kindern erwarten (es gibt sogar solche, die sie fordern) sind wie Wucherer, sie riskieren gern das Kapital, wenn sie nur die Zinsen bekommen.
24 XI (1914) Gestern in der Tuchmachergasse, wo die alte Wäsche und Kleidung an die galizischen Flüchtlinge verteilt
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wird. Max, Frau Brod, Herr Chaim Nagel. Der Verstand, die Geduld, die Freundlichkeit, der Fleiß, die Gesprächigkeit, der Witz, die Vertrauenswürdigkeit des Herrn Nagel. Menschen, die ihren Kreis so vollständig ausfüllen, daß man meint, ihnen müßte alles im ganzen Kreis der Welt gelingen, aber es gehört eben auch zu ihrer Vollkommenheit, daß sie über ihren Kreis nicht hinausgreifen. – Die kluge lebhafte, stolze und
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