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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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gleichzeitig die Überzeugung der Notwendigkeit dessen und eines durch jedes Anziehen des Unglücks erarbeiteten Zieles, (jetzt beeinflußt durch die Erinnerung an Herzen, geschieht mir aber auch sonst)
    14. (März 1915) Ein Vormittag: bis 1/2 12 im Bett.
    Durcheinander von Gedanken das sich langsam bildet und in unglaubwürdiger Weise festigt. Nachmittag gelesen (Gogol, Aufsatz über Lyrik) abend Spaziergang zum Teil mit den
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    haltbaren aber nicht vertrauenswürdigen Gedanken vom Vormittag. In den Chotekanlagen gesessen. Schönster Ort in Prag. Vögel sangen, das Schloß mit der Galerie, die alt en Bäume mit vorjährigem Laub behängt, das Halbdunkel. Später kam Ottla mit D.
    17. (März 1915) Von Lärm verfolgt. Ein schönes viel freundlicheres Zimmer als das in der Bilekgasse. Ich bin von der Aussicht so abhängig, die ist hier schön, die Teinkirche. Aber großer Lärm der Wagen unten, an den ich mich aber schon gewöhne. Unmöglich aber mich an den Lärm am Nachmittag zu gewöhnen. Von Zeit zu Zeit ein Krach in der Küche oder am Gang. Über mir auf dem Boden gestern ewiges Rollen einer Kugel wie beim Kegeln unverständlicher Zweck, dann unten auch Klavier. Abend gestern verhältnismäßige Stille, ein wenig aussichtsvoll gearbeitet (Unterstaatsanwalt) heute mit Lust angefangen, plötzlich nebenan oder unter mir Unterhaltung einer Gesellschaft, so laut und wechselnd als umschwebe sie mich.
    Ein wenig mit dem Lärm gekämpft, dann mit förmlich zerrissenen Nerven auf dem Kanapee gelegen, nach 10 Uhr Stille, kann aber nicht mehr arbeiten.
    23. III 15 Unfahig eine Zeile zu schreiben. Das Wohlbehagen mit dem ich gestern in den Chotekschen Anlagen und heute auf dem Karlsplatz mit Strindberg "Am offenen Meer" gesessen bin.
    Das Wohlbehagen heute im Zimmer. Hohl wie eine Muschel am Strand, bereit durch einen Fußtritt zermalmt zu werden 25 (März 1915) Gestern Maxens Vortrag "Religion und Nation". Talmudcitate. Ostjuden. Die Lembergerin. Der Westjude der sich den Chassidim assimiliert hat, der Wattestöpsel im Ohr. Steidler, ein Socialist, langes glänzendes scharf geschnittenes Haar. Die Art wie die Ostjüdinnen parteiisch sich entzücken. Die Gruppe der Ostjuden beim Ofen.
    Götzl, im Kaftan, das selbstverständliche jüdische Leben. Meine Verwirrung.
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    9. IV 15 Qualen der Wohnung. Grenzenlos. Paar Abende gut gearbeitet. Hätte ich in den Nächten arbeiten dürfen! Heute durch Lärm am Schlafen, am Arbeiten, an allem gehindert.
    14. IV 15 Die Homerstunde der galizischen Mädchen. Die in der grünen Bluse, scharfes strenges Gesicht; wenn sie sich meldet, hebt sie den Arm rechtwinklig; hastige Bewegungen beim Anziehn; wenn sie sich meldet und nicht aufgerufen wird, schämt sie sich und wendet das Gesicht zur Seite. Das grün gekleidete starke junge Mädchen bei der Nähmaschine.
    27. IV 15. In Nagy Mihaly mit meiner Schwester. Unfähig mit Menschen zu leben, zu reden. Vollständiges Versinken in mich, Denken an mich. Stumpf, gedankenlos, ängstlich. Ich habe nichts mitzuteilen, niemals, niemandem. Fahrt nach Wien. Der alles wissende, alles beurteilende, im Reisen erfahrene Wiener, lang, blondbärtig, Beine übereinander geschlagen, liest "Az Est", bereitwillig und, wie E. und ich (in dieser Hinsicht in gleicher Weise auf der Lauer) merken, doch auch zurückhaltend.
    Ich sage: "Wie erfahren Sie im Reisen sind! " [Er weiß alle Eisenbahnverbindungen, die ich brauche (wie sich später herausstellt sind allerdings die Angaben nicht ganz richtig) kennt alle elektr. Straßenbahnlinien in Wien, gibt mir Ratschläge wegen des Telephonierens in Budapest an Banovce, kennt die Paketbeförderungseinrichtungen, weiß daß man weniger zahlt, wenn man im Taxameterautomobil das Gepäck mit ins Wageninnere nimmt] darauf antwortet er nichts, sondern sitzt unbeweglich mit gesenktem Kopf. Das Mädchen aus Zizkow,
    weichmütig, redselig, aber selten imstande
    durchzudringen, blutarm, wertloser, unentwickelter und nicht mehr entwicklungsfähiger Körper. Die alte Frau aus Dresden mit dem Bismarkgesicht, gibt sich später als Wienerin zu erkennen. Die dicke Wienerin, Frau eines Redakteurs der Zeit, viel Zeitungswissen, klare Rede, vertritt zu meinem größten Widerwillen meist meine eigene Meinung. Ich meist stumm, weiß nichts zu sagen, der Krieg löst in diesem Kreise nicht die
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    geringste mitteilenswerte Meinung bei mir aus. Wien –
    Budapest. Die zwei Polen, der Lieutenant und die Dame, steigen bald aus, flüstern

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