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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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welche die Schlafrockschnur gezogen ist. Aus Bosheit streckt er sich noch weiter hinaus, ich spanne meine Kräfte auf das äußerste an, um ihn zu halten. Ich denke daran, wie gut es wäre, wenn ich meine Füße mit Stricken an irgendetwas Festem anbinden könnte um nicht vom Vater mitgezogen zu werden. Allerdings müßte ich, um das zu bewerkstelligen, den Vater wenigstens ein Weilchen
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    lang loslassen und das ist unmöglich. Diese ganze Spannung erträgt der Schlaf – und gar mein Schlaf nicht und ich erwache.
    20 (April 1916) Auf dem Gang kam ihm die Hauswirtin mit einem Brief entgegen. Er prüfte das Gesicht der alten Dame, nicht den Brief und öffnete ihn unterdessen. Dann las er: "Sehr geehrter Herr. Seit einigen Tagen wohnen Sie mir gegenüber.
    Eine starke Ähnlichkeit mit einem alten guten Bekannten macht Sie mir merkwürdig. Bereiten Sie mir das Vergnügen und besuchen Sie mich heute nachmittag. Mit Gruß Louise Halka. "
    "Gut" sagte er sowohl zur Hauswirtin die noch vor ihm stand als auch zum Brief. Es war eine willkommene Gelegenheit eine vielleicht nützliche Bekanntschaft in dieser Stadt zu machen in der er noch ganz fremd war. "Sie kennen Frau Halka" fragte die Wirtin, während er nach dem Hut langte. "Nein" sagte er fragend. "Das Mädchen, das den Brief brachte, ist ihre Dienerin"
    sagte die Wirtin wie zur Entschuldigung. "Das mag sein" sagte er, unwillig über die Teilnahme und beeilte sich aus der Wohnung zu kommen. "Sie ist eine Witwe" hauchte ihm die Wirtin von der Schwelle noch nach.
    Ein Traum: Zwei Gruppen von Männern kämpften mit
    einander. Die Gruppe zu der ich gehörte, hatte einen Gegner einen riesigen nackten Mann gefangen. Fünf von uns hielten ihn einer beim Kopf, je zwei bei den Armen und Beinen. Leider hatten wir kein Messer ihn zu erstechen, wir fragten in der Runde eilig, ob ein Messer da sei, keiner hatte eines. Da aber aus irgendeinem Grunde keine Zeit zu verlieren war und in der Nähe ein Ofen stand, dessen ungewöhnlich große gußeiserne Ofentüre rotglühend war, schleppten wir den Mann hin, näherten einen Fuß des Mannes der Ofentüre, bis er zu rauchen begann, zogen ihn dann wieder zurück und ließen ihn ausdampfen, um ihn bald neuerlich zu nähern. So trieben wir es gleichförmig, bis ich nicht nur im Angstschweiß, sondern wirklich zähneklappernd erwachte.
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    Hans und Amalia, die zwei Kinder des Fleischers, spielten mit Kugeln an der Mauer des Magazins, eines großen alten festungsartigen Steinbaues, der mit seinen 2 Reihen stark vergitterter Fenster sich weithin am Flußufer dehnte. Hans zielte vorsichtig, prüfte Kugel Weg und Grube ehe er den Stoß abgab, Amalia hockte bei der Grube und klopfte mit den Fäustchen vor Ungeduld auf den Boden. Plötzlich aber ließen beide von den Kugeln ab, standen langsam auf und ' sahen das nächste Magazinsfenster an. Man hörte ein Geräusch wie wenn jemand eine der kleinen trüben dunklen Scheiben des vielgeteilten Fensters reinzuwischen suche, es gelang aber nicht und nun wurde sie entzweigeschlagen ein mageres scheinbar grundlos lächelndes Gesicht erschien undeutlich in dem kleinen Viereck, es war wohl ein Mann und er sagte "Kommt Kinder kommt.
    Habt Ihr schon ein Magazin gesehn?" Die Kinder schüttelten die Köpfe, Amalia sah erhitzt zum Mann auf, Hans blickte nach rückwärts, ob Leute in der Nähe wären, aber er sah nur einen Mann, der gleichgültig gegen alles mit gebeugtem Rücken einen schwer beladenen Karren das Quaigeländer entlang schob.
    "Dann werdet Ihr aber wirklich staunen" sagte der Mann, sehr eifrig als müsse er durch Eifer die Ungunst der Verhältnisse überwinden, die ihn mit Mauer Gitter und Fenster von den Kindern trennten. "Jetzt aber kommt. Es ist höchste Zeit." "Wie sollen wir hineinkommen" sagte Amalia. "Ich werde Euch die Tür zeigen" sagte der Mann. "Folgt mir nur, ich gehe jetzt nach rechts und werde an jedes Fenster klopfen." Amalia nickte und lief zum nächsten Fenster, wirklich klopfte es dort und so auch bei den Folgenden. Aber während Amalia dem fremden Mann gehorchte und ihm gedankenlos nachlief wie man etwa einem Holzreifen nachlauft, gieng Hans nur langsam hinterher. Ihm war nicht wohl zumut, das Magazin, das zu besuchen ihm bisher niemals eingefallen war, war gewiß sehr sehenswert, aber ob es wirklich erlaubt war hinzugehn, war durch die Einladung eines beliebigen Fremden noch durchaus nicht erwiesen. Es war eher
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    unwahrscheinlich, denn wenn es erlaubt gewesen

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