Tagebücher 1909-1923
wäre, dann hätte ihn doch der Vater gewiß schon einmal hingeführt, da er nicht nur ganz in der Nähe wohnte, sondern sogar im weiten Umkreis alle Leute kannte, von ihnen gegrüßt und mit Ehrerbietung behandelt wurde. Und nun fiel Hans ein, daß dies also auch von dem Fremden gelten müsse, er lief um dies festzustellen Amalia nach und erreichte sie, als sie und mit ihr der Mann bei einer kleinen gleich unten am Erdboden befindlichen Tür aus Eisenblech Halt machten. Es war wie eine große Ofentüre. Wieder schlug der Mann beim letzten Fenster eine kleine Scheibe ein und sagte: "Hier ist die Tür. Wartet einen Augenblick, ich werde die Innentüren öffnen. " "Kennen Sie unsern Vater?" fragte Hans sofort, aber das Gesicht war schon verschwunden und Hans mußte mit seiner Frage warten.
Nun hörte man, wie tatsächlich die Innentüren geöffnet wurden.
Zuerst kreischte der Schlüssel kaum hörbar, dann lauter und lauter in nähern Türen. Das hier durchbrochene dicke Mauerwerk schien hier durch viele eng aneinanderliegende Türen ersetzt zu sein. Endlich öffnete sich auch die letzte nach innen, die Kinder legten sich auf den Boden um hineinsehn zu können und dort war nun auch das Gesicht des Mannes im Halbdunkel. "Die Türen sind offen, also kommt. Nur flink nur flink." Mit einem Arm drückte er die vielen Türplatten an die Wand. Als wäre Amalia durch das Warten vor der Tür ein wenig zur Besinnung gekommen, schob sie sich jetzt hinter Hans und wollte nicht die erste sein, ihn aber stieß sie nach vorn, denn mit ihm wollte sie sehr gerne ins Magazin. Hans war ganz nahe der Türöffnung, er fühlte den kühlen Anhauch, der aus ihr kam, er wollte nicht hinein, nicht zu dem Fremden, nicht hinter die vielen Türen, die zugesperrt werden konnten, nicht in das kühle alte riesige Haus. Nur weil er schon hier vor der Öffnung lag, fragte er: "Kennen Sie unsern Vater?" "Nein" antwortete der Mann "aber kommt schon endlich, ich darf nicht so lange die Türen offen lassen. " "Er kennt unsern Vater nicht" sagte Hans
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zu Amalia und stand auf; er war wie erleichtert, nun würde er gewiß nicht hineingehn. "Ich kenne ihn aber doch" sagte der Mann und schob den Kopf in der Öffnung weiter vor "natürlich kenne ich ihn, der Fleischer, der große Fleischer bei der Brücke, ich selbst hole dort manchmal Fleisch, glaubt Ihr, ich würde Euch ins Magazin einlassen, wenn ich nicht Euere Familie kennen würde?" "Warum hast Du zuerst gesagt, daß Du ihn nicht kennst" fragte Hans und hatte sich die Hände in den Taschen schon ganz vom Magazin abgewendet. "Weil ich hier in dieser Lage keine langen Gespräche zu führen wünsche.
Kommt erst herein, dann kann man über alles sprechen. Im übrigen mußt Du Kleiner gar nicht hereinkommen, im Gegenteil ich bin lieber wenn Du mit Deinem ungezogenen Benehmen draußen bleibst. Deine Schwester aber die ist vernünftiger, die kommt und wird willkommen sein. " Und er streckte Amalie die Hand entgegen. "Hans" sagte Amalia während sie ihre Hand der fremden Hand näherte, ohne sie aber noch zu fassen. "Warum willst Du nicht hineingehn?" Hans, der nach der letzten Antwort des Mannes auch keine deutliche Ursache für seine Abneigung anführen konnte, sagte nur leise zu Amalia: "Er zischt so. " Und tatsächlich zischte der Fremde nicht nur beim Reden sondern auch wenn er schwieg. "Warum zischt Du" fragte Ama lia, die zwischen Hans und dem Fremden vermitteln wollte. "Dir Amalie antworte ich" sagte der Fremde. "Ich habe einen schweren Atem es kommt von dem ununterbrochenen
Aufenthalt hier in dem feuchten Magazin, auch Euch würde ich nicht raten lange hier zu ble iben, aber für ein Weilchen ist es eben außerordentlich interessant. "
"Ich gehe" sagte Amalia und lachte, sie war schon ganz gewonnen, "aber" fügte sie dann wieder langsamer hinzu Hans muß auch mitkommen. Natürlich sagte der Fremde, hopste mit dem Oberkörper hervor, faßte den vollständig überraschten Hans bei den Händen so daß dieser gleich niederfiel und zog ihn mit aller Kraft ins Loch hinein. "Hier gehts herein mein lieber
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Hans" sagte er und schleppte den sich wehrenden und laut schreienden mit sich ohne Rücksicht darauf daß ein Rockärmel von Hans an den scharfen Kanten der Türen in Fetzen gieng.
"Mali" rief plötzlich Hans, – er war schon mit den Füßen im Loch, so rasch gieng es trotz allen Widerstandes – "Mali, hol den Vater, hol den Vater, ich kann nic ht mehr zurück, er zieht mich so stark. "
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