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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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gleichen Schritt halten. An der Gerechtigkeit ist es, Mißbräuchen abzuhelfen und nicht den Baum niederzuschlagen, der wieder aufgerichtet oder gepfropft werden soll. Unter den von mir bezeichneten Gewerben gibt es zwei, die ich hier berühren muß; aber in den Augen der Gesetzgeber darf nur Gut und Böse getrennt sein. Ich spreche von den Vollstreckern der Todesurteile und den Schauspielern.
    Betreffs des ersten dieser beiden Gewerbe behaupte ich, daß es sich nur darum handelt, das Vorurteil zu beseitigen; dasselbe ist unbestimmt, leichtsinnig und entbehrt aller vernünftigen Gründe. Zumeist hält es sich nur an die Form, und man muß also die Form ändern, um ihre Folgen, ein so verächtliches Vorurteil, zu vernichten. Wenn nach militärischem Gebrauch jemand zum Tode oder irgendeiner anderen Strafe verurteilt worden ist, so wird es niemandem einfallen, die das Urteil vollstreckende Hand für ehrlos zu halten. Alles, was das Gesetz befiehlt, ist gut. Das Gesetz befiehlt den Tod eines Verbrechers: der Henker hat nur dem Gesetz zu gehorchen und weiter tut er nichts. Es wäre blödsinnig, wenn das Gesetz zu dem Manne sagen wollte: Tue dies, und wenn du es tust, wirst du ehrlos sein.«
    Abbé Maury kämpfte gegen diese kalte Vernunftsprache mit einer der ihm geläufigen Berufungen auf das Gemüt an:
    »Die Ausschließung der Henker von den gewöhnlichen Rechten beruht
nicht
auf einem Vorurteil! Das Gefühl, welches uns angesichts dessen, der mit kaltem Blute seinen Mitbruder mordet, Schauder und Abscheu empfinden läßt, ist in der Seele jedes Menschen tief begründet. Man sagt, daß das Gesetz die Hinrichtung befiehlt; aber befiehlt auch das Gesetz einem Manne, Henker zu sein? Das Vorurteil gegen diesen Stand beruht auf dem Ehrgefühl, welches in einer Monarchie vor allen Dingen geachtet werden muß.«
    Aber schon hatte sich ein andrer Redner erhoben und schritt auf die Rednerbühne zu. Es war ein bleicher Mann, eine vertrocknete, knochige Gestalt. Mit zusammengekniffenen Lippen sprach er in bissigem Tone folgendes:
    »Man wird niemals in dieser Versammlung mit Erfolg behaupten können, daß eine notwendige gesetzliche Handlung durch das Gesetz selbst entehrt werden könne. Man muß das Gesetz ändern, und der grundlose Vorwand wird verschwinden.« Dieser Redner war ein unbekannter Deputierter aus Artois namens Maximilian Robespierre. Man beachtete ihn kaum auf den Bänken der Nationalversammlung, und doch, so oft er die Stimme erhob, hatte sein Wort so viel Entschiedenes und Willenskräftiges an sich, daß es wie mit der unerbittlichen Schärfe eines Schwertes die Erörterungen förmlich abzuschneiden schien. Vermutete vielleicht schon zu jener Zeit dieser kleine Rechtsgelehrte, daß er in dieser Sache seine eigene verteidigte und daß er, für den Henker auftretend, für den rechten Arm seiner zukünftigen Politik spräche?
    L'ami du peuple (Volksfreund
), redigiert von Marat, widmete der Frage folgende Zeilen:
    »Obgleich es nicht dem Plane unseres Journals entspricht, so können wir dennoch uns des Vergnügens nicht enthalten, unseren Lesern ein Meisterwerk in bezug auf Empfindung, Geschmack und Gelehrsamkeit vorzuführen: dies ist das Schriftstück des Herrn Maton de la Varenne, eines ebenso schätzenswerten Rechtsgelehrten wie ausgezeichneten Schriftstellers, desselben, welcher mit soviel Wärme, Entschlossenheit und Erfolg gegen die Verleumder von Herrn Sanson gesprochen hat. Das Vorurteil, welches die Scharfrichter für ehrlos erklärt, wird in dieser Denkschrift, die man nicht ohne Rührung lesen kann, vollständig vernichtet, und die Nationalversammlung, an die sie gerichtet ist,, kann eben nur den an sie gestellten Forderungen entsprechen, denn es beruhen dieselben ja auf nicht zu leugnenden Rechten der Menschen, den Geboten der Vernunft und der Philosophie.«
    Robespierre sprach mit seiner gewohnten energischen Kürze in der Sitzung am 24. Dezember:
    »Ich glaube nicht, daß es eines Gesetzes bedarf; diejenigen, welche nicht ausgeschlossen werden, sind zugelassen.«
    Übrigens kam die Zeit immer näher und näher, wo die von meinem Großvater gesuchte Genugtuung ihm zur Genüge wurde.
    Bald sollte sein unersättlicher Ehrgeiz durch die amtlichen Beglückwünschungen, die Freudenbezeigungen des Volkes in der grausamsten Weise gesättigt, Charles Henri Sanson selbst eine der wichtigsten Personen im Staate werden.
Die Guillotine
Dr. Guillotin; Schmidt, Ludwig XVI.
    Doktor Guillotin hatte mit seltener

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