Tagebücher der Henker von Paris
können diese kleine Arie aus »Armide« wieder beginnen, welche wir gestern und vorgestern eingeübt haben.«
»Von Herzen gern, mein guter Schmidt,« antwortete mein Großvater, der sofort einsah, daß dem Freunde ein längeres Verweilen bei dem Gespräch über den Nutzen der eben gemachten traurigen Erfindung peinlich sein müßte.
Und Klavier und Violoncell klangen so schön zusammen wie nie vorher.
So wurde also die Guillotine inmitten eines Konzertes erfunden.
Tags nach dieser kostbaren Erfindung benachrichtigte Charles Henri Sanson den Doktor Guillotin davon, dessen Freude alle Grenzen überstieg, als er den vorzüglich aufgefaßten Plan vor sich sah, und man wird es kaum glauben können, wie zärtlich er immer und immer das Blatt Papier mit dem rohen Entwurf an sein Herz drückte. Aber so ist es mit den Menschen, die irgendeiner Idee Herrschaft über sich gegeben haben; zuletzt hören und sehen die unter dem Einfluß des bestimmten Gedankens Stehenden nichts weiter als die Verwirklichung desselben.
In der Sitzung am 30. April 1791 teilte Doktor Guillotin der Nationalversammlung etwas näheres über seine Maschine mit. Begeistert durch die Erfindung und hierdurch fortgerissen, wählte er unglücklicherweise Worte, die, anstatt freudiges Erstaunen hervorzurufen, den Ausbruch einer törichten Heiterkeit zur Folge hatten und den Erfolg seiner Sache entschieden in Frage stellten.
Bei der Behauptung, daß diese menschliche Hinrichtungsweise kein langes Leiden verursache, sagte Doktor Guillotin, daß der Delinquent ganz im Gegenteil eine leichte Frische auf dem Halse verspüren werde. War schon diese Redensart ein wenig gewagt, so mußte es die folgende noch mehr erscheinen. Der gute Doktor fügte nämlich mit der Begeisterung des Schwärmers hinzu: »Mit dieser Maschine will ich in einem Augenblick Ihnen das Haupt von den Schultern herabtanzen lassen, ohne daß Sie nur das geringste verspüren.«
Sämtliche Mitglieder der Nationalversammlung brachen in ein derartiges Gelächter aus, daß man zur Tagesordnung übergehen mußte, um die Gemüter nur einigermaßen zu beruhigen; trotzdem soll diese Sitzung eine der heitersten gewesen sein, welche nur jemals stattgefunden haben.
Obgleich nun auch Doktor Guillotin, wie oben erwähnt, das erstemal mit seiner Maschine soviel Unglück hatte, so war die Nationalversammlung doch immer durch ihre erste Entscheidung gebunden und mußte den ganzen Plan der Beratung unterwerfen. Infolgedessen trat nun ein ziemlich starker Briefwechsel zwischen Guillotin, dem Generalprokurator Herrn Roederer, dem Finanzminister Clavères und meinem Großvater ein.
Die Nationalversammlung beauftragte endlich den Doktor Antoine Louis, sein schriftliches Gutachten über die neuerdings vorgeschlagene Art und Weise der Enthauptung abzugeben.
Doktor Louis war der Leibarzt des Königs, und so erfuhr sein königlicher Gebieter, womit man den gelehrten Mediziner betraut hatte.
Man kennt die Neigung dieses Fürsten für das Schlosserhandwerk und sein Geschick, in Eisen zu arbeiten. Er wollte dem Arzt bei dessen Arbeit Ratschläge erteilen und ließ sich somit über eine Frage genau unterrichten, bei der er, wie er sagte, als Fürst Anteil nähme, weil sie die Kriminalgerichtsbarkeit seines Volkes beträfe.
Beide, sowohl der König wie sein Arzt, waren neugierig, den Entwurf der durch Doktor Guillotin vorgeschlagenen Maschine zu prüfen. So wurde dieser nun durch den Doktor Louis in den Tuilerienpalast beordert, und zwar mit dem heimlichen Bemerken, sich von meinem Großvater begleiten zu lassen, den eine dritte, bei der Beratung gegenwärtige Person um sein doch sehr wesentliches Urteil befragen wollte.
Diese Zusammenkunft fand am 2. März 1792 statt. Der Tuilerienpalast war weiter nichts mehr als das baldige Grab einer ersterbenden Königsherrschaft. Als Charles Henri Sanson mit Doktor Guillotin diese großen Vorzimmer, diese langen, früher von dem Haufen goldstrahlender Höflinge angefüllten und heute fast verlassenen Vorsäle durchwanderte, wo sich nur hier und dort einige bleiche, sorgenvolle Gesichter zeigten, fühlte sich mein Großvater noch schmerzhafter beängstigt als früher zu Versailles, wo der Glanz eines prächtigen Hofes wenigstens die Stimme seiner ängstlichen Ahnungen hatte unterdrücken können.
So kamen sie endlich in das Gemach des Doktor Louis, den sie auf einem Stuhle vor einem Tische sitzend fanden, über den eine grüne Sammetdecke mit goldenen Fransen gebreitet
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