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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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für sich.
    Als er wieder aufstand, war sein bis dahin lebhaft gewesenes Gesicht ein wenig bleich. Er wünschte zu trinken, dann stieg er festen Schrittes wieder auf den Karren hinauf, wo seine Haltung fest und würdig blieb.
    Als man auf dem Grèveplatz ankam, verlangte er noch einmal nach dem Hotel de Ville zu gehen.
    Herr Quatremère, der königliche Rat im Châtelet, empfing die Erklärungen des Marquis de Favras, die man noch lange nachher das Testament des Toten nannte.
    Dieses Todesvermächtnis, welches einige Tage nach der Hinrichtung gedruckt wurde, nannte niemand, doch fand sich darin ein Satz, der eine schreckliche Anklage gegen eine Person enthielt, in der die Geschichtschreiber den Grafen von Paris zu erkennen glaubten. Diese Stelle hatte folgenden Wortlaut: »Ich bitte, mein Todestestament dem Hofe zu übergeben und ihm, der mich gerichtet hat, anzuzeigen, daß es der letzte Wunsch seines Opfers ist, ihm Vorsicht anzuraten, wenn er Todesurteile ausspricht und ein Anderer Angeklagter vor ihm steht, der so seltsam wie ich in etwas verwickelt worden ist.«
    Nachdem Herr de Favras seine Erklärung diktiert, erbat er und erhielt auch die Erlaubnis, einige Briefe zu schreiben.
    Indessen war die Nacht herangerückt; man mußte der schon hereingebrochenen Dunkelheit wegen der Beleuchtung des Grèveplatzes zu Hilfe kommen und illuminierte deshalb das Hotel de Ville mit Windlichtern; wegen der Hinrichtung geschah dasselbe mit dem Galgen, welcher sich aus der ihn umgebenden Nacht wie ein von Feuer bekränztes Schattenbild heraushob.
    Nachdem Herr de Favras alles, was er gewünscht, getan, verließ er das Hotel de Ville und begab sich mit gleichmäßigen, festen, militärischen Schritten nach dem Ort, wo der Galgen aufgerichtet war. Der bewunderungswürdige Mut, den er entfaltete, setzte in Erstaunen und rührte alle diejenigen, deren Reihen der Delinquent durchschritt und die von seinem Heldenmute somit Zeuge waren.
    Plötzlich hörte man in diesem Augenblick durch die Drohungen und Wutausbrüche viele tausend Stimmen schreien:
    »Gnade!«
    In dem Moment, wo Herr de Favras sich der Leiter näherte, rief jemand, vielleicht einer von denen, welche noch am Morgen trinklustig die Wirtshäuser der Stadt durchlaufen hatten:
    »Vorwärts, rette dich, Marquis!«
    Herr de Favras blieb bei dieser letzten Beleidigung unbeweglich und wendete nicht einmal den Kopf herum. Er schritt einige Sprossen hinauf, und als er hoch genug war, um den Haufen übersehen zu können, rief er mit weithin hallender Stimme:
    »Bürger, ich sterbe unschuldig, betet für mich!«
    Er wiederholte diesen Protest bei jeder der drei Stufen, die ihm zu ersteigen noch übrig blieben.
    Bei der letzten wendete er sich zu dem Henkersknecht, der, rittlings auf dem Arm des Galgens sitzend, sich gerade über ihm befand, und sprach: »Und du tue deine Pflicht.«
    Er hatte kaum vollendet, als infolge eines lebhaften Stoßes, den er noch schnell seinem Körper gegeben hatte, dieser schon in der Luft schwebte …
    Und dasselbe rohe und entmenschte Volk, das Volk, welches einige Tage zuvor sich versammelt hatte, um zwei Menschen, die ihre Verbrechen mit dem Tode gebüßt, die letzte Ehre zu erweisen, wollte nun die traurigen Überreste des Marquis de Favras der frommen Sorgfalt seiner Familie entreißen. Es bedurfte des Dazwischenkommens der Nationalgarde, um den Leichnam des Gehenkten den Mißhandlungen der furchtbaren Menge, welche Flesselles und de Launay bis in den Tod verfolgt hatten, zu entreißen, und man mußte in aller Eile die sterblichen Überreste von de Favras in der Kirche von Saint-Jean-en-Grève unter die Erde bringen, um sie nur so der rasenden Volkswut aus den Augen zu schaffen.
Der Henker vor der Nationalversammlung
Das Bürgerrecht; Robespierre, Marat.
    Es ist nicht ohne Interesse, meine Leser von den Vorgängen in der Sitzung der Nationalversammlung am 23. Dezember 1789 zu unterrichten, in der die Bürgerrechtsansprüche meines Großvaters zum Vortrag kamen, und ihnen die Verteidigungen und Entgegnungen mitzuteilen. Unter den Verteidigern stand der Graf de Clermont-Tonnerre obenan, der nach seiner gewohnten Freimütigkeit und in energischer Kürze den Antrag einbrachte:
    »Es gibt anscheinend schädliche Gewerbe, die es jedoch in der Tat nicht sind. Wären sie es, so läge die Schuld an der Gesellschaft, die sie ohne Säumen unterdrücken müßte; sind sie es nicht, so muß das Gesetz mit der Gerechtigkeit, welche die Quelle des Gesetzes ist,

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