Tagebücher der Henker von Paris
ebenfalls Administratoren?«
Angeklagte: »Ich weiß es nicht.«
Präsident: »Waren Michonis und die andern Administratoren mit ihren Schärpen bekleidet, als sie sich zu Ihnen begaben?«
Angeklagte: »Ich erinnere mich dessen nicht.«
Der Bürger Hébert bemerkt, daß seinem Gedächtnis ein wichtiger Umstand entfallen sei, der jedenfalls den Bürger-Geschworenen unterbreitet werden müsse; derselbe würde von der politischen Gesinnung der Angeklagten und ihrer Schwägerin Zeugnis ablegen. Diese beiden Frauen behandelten den kleinen Capet mit derselben Unterwürfigkeit, als ob er König gewesen wäre; bei Tische hatte er den Vorsitz über seiner Mutter und seiner Tante, er saß am obersten Ende und wurde immer zuerst bedient.
Präsident (zur Angeklagten): »Fühlten Sie nicht eine freudige Erregung, als Sie sahen, daß Michonis eine Privatperson, welche eine Nelke trug, in Ihr Zimmer in der Conciergerie führte?« Angeklagte: »Da ich seit dreizehn Monaten eingesperrt war, ohne eine bekannte Person zu sehen, so zitterte ich vor Besorgnis, daß jener Herr meinetwegen in Ungelegenheiten kommen könnte.«
Präsident: »War diese Privatperson einer von Ihren Agenten?«
Angeklagte: »Nein.«
Präsident: »War er nicht am 20. Juni in dem ehemaligen Schlosse der Tuilerien?«
Angeklagte: »Ja.«
Präsident: »Und wahrscheinlich auch in der Nacht vom 9. zum 10. August?«
Angeklagte: »Ich erinnere mich nicht, ihn dort gesehen zu haben.«
Präsident: »Hatten Sie nicht eine Unterredung mit Michonis? Haben Sie ihm nicht gesagt, Sie fürchteten, daß er nicht in die neue Munizipalität gewählt werden würde?«
Angeklagte: »Ja.«
Präsident: »Welches war Ihrerseits der Grund zu einer solchen Befürchtung?«
Angeklagte: »Weil er sanft und menschlich gegen die Gefangenen war.«
Präsident: »Sagten Sie nicht an demselben Tage zu ihm: Vielleicht ist es das letzte Mal, daß ich Sie sehe?«
Angeklagte: »Ja.«
Präsident: »Weshalb sagten Sie das?«
Angeklagte: »Weil er den Gefangenen große Teilnahme schenkte.«
Ein Geschworener: »Bürger Präsident, ich ersuche Sie, der Angeklagten bemerkbar zu machen, daß sie noch nicht auf die von dem Bürger Hébert erwähnten Tatsachen in bezug auf die Vorfälle zwischen ihr und ihrem Sohn geantwortet hat.«
Der Präsident stellt die Frage darüber.
Angeklagte: »Wenn ich nicht geantwortet habe, so geschah es, weil sich die Natur gegen eine solche Beschuldigung, wenn man sie einer Mutter macht, sträubt. (Hier erschien die Angeklagte im höchsten Grade aufgeregt.) Ich berufe mich auf alle Mütter, die anwesend sind.«
Der Moniteur und die Tageszeitungen berichten von der Aufregung der Königin, hüten sich aber wohl, hinzuzufügen, daß dieselbe vom Publikum geteilt wurde.
Als sie gezwungen wurde, auf eine Beschuldigung zu antworten, welche sie durch ihre Verachtung zurückzuweisen gehofft hatte, war das starre Gesicht der Königin plötzlich belebt geworden; ihre ausgetrockneten Augen, diese Augen, welche keine Tränen mehr hatten, schleuderten Blitze und von ihren zitternden Lippen erscholl die einzige, aber rührende Berufung, welche in aller Herzen nachhallte, so daß die Frauen selbst, die nur gekommen waren, um sich an der Erniedrigung ihrer ehemaligen Herrscherin zu werden, in ihrem Muttergefühl verletzt, dem einzigen Gefühl, welches ihre Verworfenheit überlebt hatte, plötzlich in lautes Schluchzen ausbrachen.
Der Präsident Herman beeilte sich, einen andern Zeugen aufzurufen.
Der Gerichtshof vernahm darauf mehrere Zeugen, die über den Vorfall mit der Nelke, welche der Königin in der Conciergerie zugestellt wurde, aussagten.
Der Graf von Estaing, Vizeadmiral, sagte, er habe die Angeklagte, solange sie in Frankreich sei, gekannt, und sich selber über sie zu beklagen; er erkläre aber dennoch, daß er nichts wüßte, was eine Anklage gegen sie rechtfertige. Über die Vorfälle vom 5. und 6. Oktober befragt, antwortete er: »Ich hörte die Räte des Hofes zu der Angeklagten sagen, daß das Volk von Paris heranzöge, um sie zu massakrieren, und sie antwortete ihnen in erhabener Gesinnung: »Wenn die Pariser herkommen, um mich niederzumachen, so werde ich zu den Füßen meines Gemahls sterben, aber nicht fliehen.«
Antoine Simon, früher Schuhmacher, gegenwärtig als Erzieher von Charles Louis Capet, dem Sohne der Angeklagten, angestellt, legte nur eine geringfügige Aussage ab. Der Präsident hütete sich wohl, ihn über die Tatsachen zu befragen,
Weitere Kostenlose Bücher