Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
von denen er, nach Héberts Erklärung, der Hauptzeuge sein sollte. Marie-Antoinette hatte wenigstens den Trost, zu sehen, daß ihre Richter selber die Schändlichkeit der Anklage, welche der
pére Duchesne
verbreitet hatte, einsahen.
    Ein gewisser Jean Baptiste Labenette behauptete, die Angeklagte hätte drei Personen bestochen, ihn zu ermorden; aber trotz der ernsten Verhandlung erregte diese Behauptung Lächeln unter den Zuhörern.
    Beim Beginn der Sitzung vom 25. stellte Fouquier-Tinville seine Anklage. Chauveau-Lagarde und Tronson-Ducoudray hatten die Verteidigung der Königin übernommen; der erstere hielt eine sehr glänzende Rede, worin er wirksame Beredsamkeit an den Tag legte; der zweite widerlegte in seiner Verteidigungsrede alle Anklagepunkte nacheinander. Beiden hörte man mit ehrerbietigem Stillschweigen zu.
    Als Tronson-Ducoudray seine Rede beendigt hatte, führten die Gendarmen Marie-Antoinette ein und Herman begann einen summarischen Bericht über die Verhandlungen vorzutragen, gab aber nur eine Umschreibung von Fouquier-Tinvilles Antrag.
    Den Geschworenen wurden vier Fragen vorgelegt: 1. Ist es erwiesen, daß Handlungen und Unterhandlungen mit den fremden Mächten stattgefunden und daß diese Unterhandlungen zum Zweck gehabt, jenen Geldunterstützungen zu liefern, ihnen Zutritt auf das französische Gebiet zu verschaffen und die Erfolge ihrer Waffen zu erleichtern?
    2. Ist Marie-Antoinette von Österreich, die Witwe Louis Capets, überwiesen, bei diesen Handlungen mitgewirkt und jene Einverständnisse unterhalten zu haben?
    3. Ist es erwiesen, daß ein Komplott und eine Verschwörung bestanden, welche zum Zweck gehabt, den Bürgerkrieg im Innern der Republik zu entzünden?
    4. Ist Marie-Antoinette von Österreich, die Witwe Louis Capets überwiesen, an diesem Komplott und dieser Verschwörung teilgenommen zu haben?
    Nach einstündiger Beratung kehrten die Geschworenen zurück und bejahten alle ihnen vorgelegte Fragen.
    Die Angeklagte wird wieder in den Verhörsaal geführt; Herman liest ihr die Erklärung der Jury vor; Fouquier stellt den Antrag, die Angeklagte zum Tode zu verurteilen und nachdem der Präsident die Stimmen seiner Kollegen gesammelt, spricht er folgendes Urteil:
    »Nachdem der Gerichtshof nach einstimmiger Erklärung der Geschworenen dem Strafantrage des öffentlichen Anklägers zustimmt, verurteilt derselbe, den bereits angeführten Gesetzen gemäß, die besagte Marie-Antoinette, genannt von Lothringen-Österreich, Witwe Louis Capets, zur Todesstrafe; und erklärt, laut dem Gesetz vom 19. März vorigen Jahres, ihre Güter, wenn sie solche auf französischem Boden besitzt, für gerichtlich eingezogen.«
    In ihr Gefängnis zurückgekehrt, hüllte sie ihre Füße in eine Decke, warf sich angekleidet auf ihr Bett und entschlief. Die lange Dauer der Verhandlung hatte ihre Kräfte erschöpft. Die Sitzung hatte um neun Uhr morgens begonnen und endigte erst spät abends, so daß die Leidende aufs höchste gefoltert worden war. Sie hatte Hunger und Durst ausgestanden, und so seltsam waren die Leidenschaften jener Zeit, daß ein Gendarmerieoffizier namens Busne sich rechtfertigen mußte, weil er ihr ein Glas Wasser gereicht hatte.
    Als die beiden wachthabenden Gendarmen sie nicht hörten, wurden sie besorgt; einer von ihnen trat in das Zimmer und sah sie ruhig und friedlich schlummern.
    Dieser Schlummer dauerte kaum drei Viertelstunden. Dann erwachte sie und bat einen ihrer Wächter, den Schließer Bault zu rufen. Als dieser kam, fragte sie, ob sie Schreibmaterialien bekommen könne. Bault antwortete, daß Fouquier diesem Wunsche zuvorgekommen sei und befohlen habe, Papier und Tinte zu ihrer Verfügung zu stellen; er schickte auch sofort einen Gendarmen danach.
    Am 22. Februar 1816 wurde dieser Brief der Königin von Herrn von Richelieu den beiden Kammern vorgelesen. Folgendes ist der Inhalt dieses bewundernswerten Testaments, welches in jeder Beziehung dem Ludwigs XVI. würdig zur Seite steht:
    »An Dich, meine Schwester, schreibe ich zum letzten Male. Ich bin verurteilt worden, nicht, eines schmachvollen Todes zu sterben – denn der gebührt nur den Verbrechern – sondern Deinen Bruder wiederzusehen.
    Ich hoffe dieselbe Festigkeit wie er zu zeigen.
    Es tut mir schmerzlich leid, meine armen Kinder verlassen zu müssen; Du weißt, daß ich nur für sie und für Dich lebte.
    Du hast in Deiner Freundschaft alles geopfert, um bei uns zu leben; in welcher Lage lasse ich Dich! Aus der

Weitere Kostenlose Bücher